Im Sprint zum Geschäftsmodell – in 7 Tagen
Innovationen sind Trumpf – diese Erkenntnis ist keineswegs neu. Dennoch stehen bei vielen Unternehmen hohen Investitionen in Innovationsprojekte oftmals nur magere Resultate gegenüber. Ein Beraterteam von Berg Lund & Company (BLC) hat bei der DB Cargo AG in diesem Kontext unlängst sehr gute Erfahrungen mit einem ungewöhnlichen Workshopformat gemacht. In nur sieben Tagen ist es gelungen, ein tragfähiges Geschäftsmodell für den europäischen Markt zu entwickeln
In innovation, you’re trying to create something from nothing. – David Cohen
Innovationsmanagement – außer Spesen nichts gewesen?
Innovation Hubs, Digital Labs, Ideation Spaces, Corporate Incubators & Accelerators – inspiriert von kalifornischer Innovationskultur und den Erfolgsgeschichten aus dem Silicon Valley setzt auch hierzulande eine steigende Zahl von Unternehmen auf hauseigene Innovationszentren, um den Pioniergeist und die Experimentierfreude ihrer Organisation zu wecken.
Entkoppelt vom täglichen Trubel, befreit von zeitintensiven Reportingpflichten und losgelöst vom Erfolgsdruck des operativen Geschäfts wird unternehmenseigenen Innovationslaboren die Fähigkeit zugeschrieben, aus kühnen Visionen verheißungsvolle Ideen entwickeln zu können, aus denen letztlich gleichermaßen zukunftsweisende wie praxistaugliche Innovationen entstehen. So scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis kreative Köpfe in einer unkonventionellen und flexiblen Arbeitsatmosphäre abseits lärmender und lähmender Strukturen mit hohen Freiheitsgraden, agilem Mindset und maßvoller Risikobereitschaft das Geschäftsmodell der Zukunft erfinden.
Diese vielfach formulierte Überzeugung weicht jedoch allzu häufig einem Gefühl der Ernüchterung, wenn sich herausstellt, dass die mit finanziellen und personellen Ressourcen großzügig ausgestatteten Innovationsschmieden den hochgesteckten Erwartungen nicht gerecht werden. In Anbetracht verzögerter Entwicklungszyklen, magerer Arbeitsfortschritte, steigender Kosten und schwindender Gewinnaussichten schlägt die anfangs noch euphorische Aufbruchsstimmung schnell in Resignation um.
„Creating something from nothing“ – 7 Leitfragen für 7 Tage
Welche Elemente braucht es also neben einem innovationsfreundlichen Ökosystem, um aus kreativen Ideen mit kalkulierbarem Aufwand umsetzungsreife Produkte oder Geschäftsmodelle zu entwickeln?
Diese Frage stellte sich ein weiteres Mal, als mit der DB Cargo ein führendes deutsches Unternehmen aus der Transport- und Logistikbranche mit der Bitte an BLC herantrat, die Entwicklung eines neuen europaweiten Geschäftsmodells zu begleiten.
Neben dem per se spannenden Projektauftrag bestand die besondere Herausforderung darin, dass die vorstandsreife Konzeption des Geschäftsmodells in einem Zeitraum von nur sieben Tagen erarbeitet werden sollte – etwas mehr als eine Arbeitswoche, um die Geschäftsidee zu konkretisieren, einen fundierten Business Plan zu entwerfen und die Ergebnisse managementkompatibel zu dokumentieren.
Darüber hinaus hatte das verantwortliche BLC-Team bis zum Projektauftakt kaum Berührungspunkte mit den zugrundeliegenden Services – das Vorhaben sollte also zudem auf thematisches Neuland führen.
Sieben zentrale Leitfragen boten Orientierung bei der Erschließung dieses Neulands:
- Welche Dynamiken prägen das Markt- und Wettbewerbsumfeld?
- Welche Stärken zeichnen die DB Cargo im Wettbewerb aus?
- Welche konkreten Kundenbedarfe und -segmente bieten Ansatzpunkte für ein nachhaltig tragfähiges Geschäftsmodell?
- Worin bestehen Alleinstellungsmerkmale des Geschäftsmodells und wie lassen sich diese Vorteile dauerhaft verteidigen?
- Wie sehen die konkreten Produkte aus und worin liegt der entscheidende Mehrwert für potenzielle Kunden?
- Wie können Pricing-Mechanismen im Spannungsfeld aus Wettbewerbsfähigkeit und Gewinnorientierung gestaltet werden?
- Welche geschäftspolitischen, rechtlichen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen sind zu schaffen, um Pilotierung und Markteinführung erfolgreich realisieren zu können?
Von der Idee zum Geschäftsmodell – 10 Faktoren für eine erfolgreiche Umsetzung
Für die erfolgreiche Umsetzung des Projektauftrags innerhalb des ambitionierten zeitlichen Rahmens war es nicht damit getan, kreative Köpfe unter hohem Zeit- und Ergebnisdruck in einer angenehmen Startup-Atmosphäre zusammenzubringen.
Es brauchte neben der Kreativität, Offenheit und Leistungsbereitschaft aller Beteiligten ein fokussiertes „Sprintformat“: eine eng getaktete Workshopserie, die die Flexibilität agilen Projektmanagements mit Ergebnisorientierung ab Tag 1 verbinden würde – ein Balanceakt abseits gängiger Standardansätze.
Das gewählte Projektformat gliederte sich in drei Phasen: Vorbereitung & Setup im Vorfeld des eigentlichen Sprints, Arbeitsorganisation & Umsetzung sowie Ergebnissicherung & Kommunikation während der siebentägigen Arbeitsphase. Für die Ausgestaltung, Gewichtung und Zeitbedarf der einzelnen Sprintetappen existiert kein Patentrezept – dafür sind die möglichen Ausgangslagen, Rahmenbedingungen und Fragestellungen zu breit gefächert, die zugrundeliegenden Kreativprozesse zu volatil und zu wenig planbar. Dennoch lassen sich im Rückblick auf diesen gelungenen Sprint zehn Erfolgsfaktoren ableiten.
A. Vorbereitung & Setup
Im Vorfeld des Sprints war die frühzeitige Sicherstellung der erforderlichen Rahmenbedingungen und Ressourcen entscheidend, wobei insbesondere die Verfügbarkeit von Räumlichkeiten und Kompetenzträgern sowie die Zusammensetzung der einzelnen Arbeitsteams im Vordergrund standen:
1. (Frei-)Räume
Offene Raumkonzepte, beschreibbare Wände, Kicker, Sitzsäcke und Kaffeemaschine – häufig bemühte Stereotypen einer kreativitätsfördernden Arbeitsumgebung gelten als Symbole für Innovationsfreundlichkeit und Voraussetzungen für geniale Eingebungen.
Im Rahmen der siebentägigen Arbeitsphase wurde jedoch deutlich, dass verschiedene Besprechungs-, Break-out- und Rückzugsmöglichkeiten für parallel arbeitende Teams entscheidender sind als die Vorzüge einer plakativen Startup-Kultur.
„Das „House of Logistics and Mobility“ (HOLM) am Frankfurter Flughafen bot uns dabei eine ideale Arbeitsumgebung. Insbesondere das „Basislager“, ein mit Kanban-Boards und Arbeitsergebnissen verzierter, durchgängig verfügbarer Konferenzraum, in dem unter anderem tägliche Stand-up- und Review-Termine stattfanden, wurde für das Projektteam zu einer vorübergehenden Heimat und trug wesentlich dazu bei, dass sich schnell ein echter Teamgeist entwickeln konnte“, berichtet Jonathan Küll, Projektleiter der DB Cargo.
2. Teamzusammensetzung
Grundvoraussetzung für einen dynamischen Sprint war ein engagiertes und ehrgeiziges Team mit einer ausgewogenen Kombination aus Konzernstrategen, Schienengüterverkehrsexperten, Analysten und externen Beratern mit breiter Methodenkompetenz.
Ausgehend von personeller Kontinuität im Kernteam gewährleistete eine themenabhängige und oftmals täglich wechselnde Zusammensetzung der Arbeitsteams, dass die vielfältigen Fragestellungen innerhalb kürzester Zeit mit dem jeweils erforderlichen Expertenkreis effizient beantwortet werden konnten.
Idealerweise übernehmen alle Teammitglieder Verantwortung für den Projekterfolg. Die tradierte Aufgabenteilung von inhaltlicher Arbeit und übergeordneter Entscheidungskompetenz weicht dabei einem Vorgehen, in dem alle Beteiligten sowohl inhaltlich arbeiten als auch selbstständig Entscheidungen treffen.
„In dieser Situation zeigte sich der Mehrwert externer Unterstützung“, konstatiert Projektleiter Küll aus Sicht des Auftraggebers. Dieser Mehrwert liegt vor allem darin, Entscheidungen aus einer neutralen Perspektive heraus zu bewerten, Kompromisse zu fördern, mögliche Konsequenzen abzuschätzen und dadurch Ängste zu nehmen, um gerade unter hohem Zeitdruck langwierige hierarchische Abstimmungskaskaden zu vermeiden.
3. Flexibilität und Verfügbarkeit
Während der Konzeptionsphase zeigte sich, dass die flexible Verfügbarkeit einzelner Experten den Projektfortschritt maßgeblich beschleunigen kann. Dabei erwies sich insbesondere die Einbindung fachlicher Kompetenzträger, die initial keine tragende Rolle übernehmen sollten, als herausfordernd.
Die Vertagung erfolgskritischer Fragen bis zu dem Zeitpunkt, an dem ein verantwortlicher Ansprechpartner eine Lücke im prall gefüllten Terminkalender findet, kann im entscheidenden Moment zu schmerzlichen Verzögerungen führen.
Die frühzeitige Information und durchgängige Erreichbarkeit aller potenziell erforderlichen Mitarbeiter, die Abstimmung verbindlicher Terminblocker sowie die klare Vorgabe des Managements, dass Anfragen aus dem Projekt priorisiert zu behandeln sind, waren entscheidend für das Gelingen eines solchen Sprintformats.
Der zweite Teil dieses Blogartikels steht ab dem 26. November 2018 zur Verfügung und wird die inhaltliche Arbeit in den weiteren Projektphasen vorstellen und einen Ausblick geben, wie die Sprint-Entwicklung zu einer Erfolgsgeschichte wurde.
Eine adaptierte Version dieses Beitrags erschien bereits im Blog der Bundesvereinigung Logistik (BVL).