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Blog
26.11.2018 Geschäftsmodellentwicklung

Agile Innovationsentwicklung? – eine Erfolgsgeschichte

In nur sieben Tagen ein tragfähiges Geschäftsmodell für den europäischen Markt entwickeln? Der erste Teil der Blog-Serie vom 12. November 2018 stellte ein innovatives Workshopformat vor, das ein BLC-Team bei der DB Cargo einsetzte. Der zweite Beitrag beschreibt die inhaltliche Arbeit in den weiteren Projektphasen und gibt einen Ausblick, wie die Sprint-Entwicklung zu einer Erfolgsgeschichte wurde.

Im ersten Teil des Beitrags vom 12. November 2018 erläuterten Björn Wenninger und Florian Pestel, warum Innovationen Trumpf sind und welche Leitfragen am Anfang des agiles Sprint-Projekts standen. Darüber hinaus beschrieb das Autorenteam zentrale Erfolgsfaktoren zur Vorbereitung des ambitionierten Vorhabens.

Der zweite Teil der Artikelserie stellt das agile Projektvorgehen in den Phasen „Arbeitsorganisation & Umsetzung“ sowie „Ergebnissicherung & Kommunikation“ während der siebentägigen Arbeitsphase vor.

B. Arbeitsorganisation & Umsetzung

Nach Abschluss der Vorbereitungen lag das Hauptaugenmerk am ersten Tag des siebentägigen Sprints darauf, die parallel organisierten Arbeitsstränge auf Basis gemeinsam definierter „Spielregeln“ zu priorisieren, anzuleiten und aufeinander abzustimmen. So galt es zunächst, das Team auf die intensive Arbeitsphase „einzuschwören“, Fragen zu klären und eine erste Arbeitsplanung und Priorisierung zügig abzuschließen.

Die zentrale Herausforderung in den folgenden vier Sprinttagen bestand darin, die Bearbeitung der iterativ priorisierten und diskutierten Themenschwerpunkte mit einer konsequenten Ergebnisorientierung unter Berücksichtigung verbindlicher Bearbeitungszeiten („time boxes“) zu verbinden:

  1. Fairplay durch transparente Spielregeln

Die Einführung klarer Kommunikationsregeln und Projektformate kann zunächst irritieren, da diese auf den ersten Blick nur Selbstverständlichkeiten und Allgemeinplätze zu wiederholen scheinen.

Indes: Mit der gemeinsamen Festlegung verbindlicher Spielregeln zu Beginn der Projektarbeit konnten potenzielle Vorbehalte ausgeräumt und die Grundlage für ein produktives Miteinander von Teammitgliedern geschaffen werden, die bis dato kaum auf gemeinsame Arbeitserfahrung zurückgreifen konnten.

In intensiven und hektischen Phasen mit hoher Arbeitsbelastung wurde deutlich, dass eine gemeinsame Verpflichtung zu wertschätzender Kommunikation sowie zu einer offenen Fehler- und Feedbackkultur entscheidende Faktoren einer erfolgreichen Zusammenarbeit sind. Denn gerade unter Stress werden solche Selbstverständlichkeiten gern einmal vergessen.

  1. Arbeitsplanung und Priorisierung

Kreative Köpfe bringen eine Vielzahl spannender Ideen hervor. Gerade deswegen bestand die wohl größte Herausforderung der Konzeptionsphase darin, die Projektarbeit bereits in den ersten Tagen des Sprints auf die vielversprechendsten Ansätze zu fokussieren und weitere Ideen zurückzustellen – „maximizing the amount of work not done“, wie das agile Manifest von 2001 das Prinzip der Einfachheit definiert.

People think focus means saying yes to the thing you've got to focus on. But that's not what it means at all. It means saying no to the hundred other good ideas that there are. – Steve Jobs

Mit Hilfe agiler Bewertungs- und Priorisierungsverfahren, einem hohen Maß an Kompromissbereitschaft und dem erforderlichen Fingerspitzengefühl wurde unter Zeitdruck um eine Einigung im Hinblick auf das weitere Vorgehen gerungen. Externe Moderation half dabei, zwischen verschiedenen Interessenslagen zu vermitteln und trug so zur konstruktiven Entscheidungsfindung bei.

Ob Scrum oder Design Thinking – Planung und Priorisierung sind bei agilen Methoden stets als iterative Prozesse angelegt. So wurden auf Basis der ersten Arbeitsergebnisse einige Prognosen erhärtet und manche Annahmen entkräftet, sodass Ideen, Hypothesen und Konzepte in täglichen Review-Terminen erneut diskutiert, in Frage gestellt, bestätigt oder verworfen wurden.

Hart erarbeitete Kompromisse im Bedarfsfall verwerfen zu müssen, birgt allerdings das Risiko einer echten Zerreißprobe. Bei den Bemühungen, trotz enttäuschter Erwartungen eine erneut zielgerichtete Diskussion in Gang zu setzen, zeigte sich der Mehrwert externer Unterstützung in der Neutralität, im Verhandlungsgeschick, der Überzeugungs- und Motivationsfähigkeit sowie der Erfahrung aus vergleichbaren Konfliktsituationen.

  1. Parallelisierung

Die effiziente Verteilung klar umrissener und parallel bearbeiteter Arbeitspakete bestimmte die Geschwindigkeit des Sprints. Dabei bewährte sich die Fokussierung auf wenige Themen nach dem Kanban-Prinzip „limit work in progress“.

Exemplarisch formulierte Team 1 Produktbeschreibungen, während Team 2 potenzielle Zielgruppen identifizierte und Team 3 Pricing-Strategien kalkulierte. Die externe Unterstützung konzentrierte sich in diesem Zusammenhang unter anderem auf die quantitative und qualitative Analyse des umfangreichen Datenmaterials, die Modellierung des Business Cases, den gezielten Einsatz von Methoden (beispielsweise „Personas“ für das bessere Verständnis von Zielgruppen; Backlogs, Use Cases und „Prototypen“ zur Produktentwicklung; iterative Arbeitsplanung; Ein-Tages-Sprints) sowie die Systematisierung und Dokumentation der erreichten Zwischenergebnisse. So wurde sichergestellt, dass jede Arbeitsphase in einem konkreten Ergebnis resultierte, das im Anschluss diskutiert werden konnte.

  1. „Timeboxing“ und Ergebnisorientierung

Die siebentägige Intensivphase wurde so gestaltet, dass für die Bearbeitung der priorisierten Fragestellungen an jedem Tag bestimmte Zeitfenster vorgesehen waren. Die Einhaltung der Zeitvorgaben – „Timeboxing“ – ließ den Teams keine andere Wahl, als sich bei der Bearbeitung vom Pareto-Prinzip leiten zu lassen und stets jene Features mit dem höchsten erwarteten Mehrwert zu priorisieren. Jonathan Küll von der DB Cargo bestätigt den Erfolg dieses Vorgehens: „Die hohe Verbindlichkeit des Zeitplans erwies sich als Königsweg, um das Endprodukt konsequent voranzutreiben.“

Dabei kostete es die Teams anfänglich einige Überwindung, zu akzeptieren, dass weder alle Vorbehalte ausgeräumt noch alle Detailfragen im Rahmen einer Woche beantwortet werden können. Offene Punkte ohne wegweisende Bedeutung für den weiteren Projektverlauf wurden in einem separaten Themenspeicher („Issue Backlog“) zur nachgelagerten Betrachtung in folgenden Projektphasen festgehalten.

C. Ergebnissicherung & Kommunikation

Bedingt durch den engen zeitlichen Rahmen wurden Arbeitsergebnisse unter Hochdruck produziert. Vor diesem Hintergrund kamen der zielgerichteten Dokumentation der Endprodukte sowie deren adressatengerechter Kommunikation an die beteiligten Stakeholder in der abschließenden Sprintetappe während der letzten beiden Projekttage eine zentrale Rolle zu.

  1. Visualisierung und Dokumentation

Die frühzeitige Visualisierung aller aufgestellten Hypothesen, skizzierten „Prototypen“ und entworfenen Business Case- und Pricing-Modelle auf dem Weg von der Ideen- zur Lösungsfindung ist integraler Bestandteil agiler Projektarbeit und iterativer Arbeitsplanung.

Die Dekoration der Räume mit Flipcharts, Post-its, Ausdrucken, Metaplan- und Pinnwänden spiegelte zu jedem Zeitpunkt den aktuellen Projektfortschritt wider und wirkte dadurch als Ansporn und Erfolgsbestätigung zugleich.

Demgegenüber zielte die Dokumentation auf die Erfassung abgestimmter Zwischenergebnisse und Meilensteine, auf deren Basis der Arbeitsfortschritt mit den Auftraggebern und Stakeholdern diskutiert und ihnen am letzten Projekttag vorgestellt wurde.

Während des gesamten Sprints zeigte sich zudem der Mehrwert des kontinuierlichen Austauschs zwischen den Arbeitsteams und der frühzeitigen Einbindung der relevanten Stakeholder. Die begleitende Mediation und Moderation zwischen Sprint-Projekt und Stakeholdern bewirkte eine spürbare Entlastung der operativen Teamarbeit – ein Erfolgsfaktor, der in Projektkontexten häufig angeführt, jedoch oftmals unterschätzt wird.

  1. Frühzeitige und regelmäßige Einbindung relevanter Stakeholder

Aufbruchsstimmung, Begeisterung und Motivation können durch die frühe Einbindung der Auftraggeber etwa im Rahmen eines gemeinsamen Auftakts der Konzeptionsphase mit allen Beteiligten gefördert werden.

Darüber hinaus dient ein tägliches Feedback von Auftraggebern und Projektleitern als projektbegleitende Versicherung, dass Zeit und Energie auch aus der Perspektive des Managements stets auf die richtigen Themen gelenkt werden. Letztlich verantworten die Auftraggeber die Ergebnisse, sodass die Bedeutung einer engen Einbindung in die Projektarbeit nicht überschätzt werden kann.

  1. Moderation und Mediation

Nur durch Reibung entsteht Wärme. Insofern stellen lebhafte und mitunter kontroverse Diskussionen ein wesentliches Element des Innovationsprozesses dar. Um sicherzustellen, dass inhaltliche Auseinandersetzungen dennoch stets zielgerichtet geführt werden, bedarf es aktiver Moderation und Mediation. So zeigt Scrum exemplarisch, dass die Produktivität und Zufriedenheit von Teams signifikant gesteigert werden kann, wenn ein neutraler Vermittler Störfaktoren von den Arbeitsteams fernhält und Differenzen frühzeitig thematisiert.

Dabei kann insbesondere ein externer Moderator frei von bestehenden Konfliktlinien und möglichen Bereichsegoismen zwischen Partikularinteressen vermitteln, Perspektivwechsel anregen und ohne Vorbehalte kritische Fragen stellen – vom Kick-off bis zum nervenaufreibenden Endspurt wurde auf diesem Weg eine kontinuierliche Ergebnisorientierung mit klarem Blick auf das Gesamtziel sichergestellt.

Im Sprinttempo zum Geschäftsmodell? Eine Erfolgsgeschichte

Während der sieben Arbeitstage wurde ausgehend von einer hypothesengetriebenen „Storyline“ neben der detaillierten Beschreibung und ökonomischen Bewertung des Geschäftsmodells auch eine klare Roadmap über die Detailkonzeption bis hin zur Markteinführung erarbeitet. In der anschließenden Projektphase kann die DB Cargo daher nun unmittelbar mit der zielgerichteten Umsetzung der Konzeption beginnen – die ersten Pilotprojekte wurden zwischenzeitlich bereits gestartet.

Die Erfahrungen mit dem Sprintformat bei der DB Cargo zeigen, dass ein stimulierendes Umfeld allein kein Garant für die Entstehung und Realisierung innovativer Ansätze ist. „Aus einer vielversprechenden Idee kann jedoch binnen kürzester Zeit ein tragfähiges Geschäftsmodell entstehen, wenn es gelingt, kreative Köpfe, agile Methoden und eine verbindliche Ergebnisorientierung flexibel und produktiv miteinander zu kombinieren“, resümiert Projektleiter Küll.

Dabei stellte sich das Sprintformat aufgrund der knapp bemessenen Zeit für alle Beteiligten als äußerst fordernd heraus. Auf Belastungsspitzen folgten regelmäßige Regenerationsphasen, um Stimmungs- und Formtiefs zu überwinden und Konzentration sowie Motivation auch über mehrere mitunter kraftzehrende Etappen aufrechtzuerhalten. Beim anspruchsvollen Zusammenspiel eines starken Teams kam so letztlich auch dem Dreiklang aus Kaffeemaschine, Kicker und Sitzsack eine entscheidende Rolle zu – manchmal haben Standardansätze dann eben doch ihre Berechtigung.

Eine adaptierte Version dieses Beitrags erschien bereits im Blog der Bundesvereinigung Logistik (BVL).

Erster Teil des Beitrags vom 12. November 2018