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30.09.2019 Bargeldversorgung

Geldmaat: Vorbild für deutsche Banken? (2/2)

Um das Potenzial von Kooperationen zwischen den Geldautomatenverbünden in Deutschland zu beurteilen, lohnt sich ein vergleichender Blick auf die Kostenstrukturen der Verbünde. Einige Beispiele zeigen, dass durch den Kostendruck bereits begrenzte Kooperationen zwischen den Verbünden in die Tat umgesetzt werden – doch große Hürden bleiben!

Mit einem Marktanteil von ca. 50 % und einem weitgehend redundanzfreien Netz verfügen die Sparkassen über eine in jeder Hinsicht herausragende Infrastruktur. Mit fast 25.000 Geräten erreichen die Sparkassen nicht nur eine unvergleichliche Flächenabdeckung, sondern auch eine exzellente Kosteneffizienz. Dies verdeutlicht folgende Rechnung auf dem Bierdeckel: Nehmen wir an, dass der Betrieb eines Geldautomaten 20.000 € p. a. inklusive Flächenkosten und Befüllung respektive Entleerung kostet. Damit belaufen sich die Vollkosten für das gesamte Netz auf rund 500 Mio. € p. a. Darüber werden ca. 35 Mio. aktive Kundenkonten von Erwachsenen mit durchschnittlich 40 Abhebungen pro Jahr versorgt – in Summe also ca. 1,4 Mrd. Transaktionen. Setzt man nun Vollkosten und Transaktionsmenge in Relation, landet man bei Stückkosten von etwa 0,36 € pro Transaktion. Zum Vergleich: Direktbanken ohne eigenes Automatennetz, die ihren Kunden eine kostenlose Bargeldversorgung über eine VISA-Card ermöglichen, müssen mit 1,74 € je Transaktion ein Vielfaches davon aufwenden.

In einer ähnlichen Position wie die Sparkassen befinden sich die VR-Banken. Auch deren Netz ist flächendeckend und weitgehend redundanzfrei. Lediglich bei der Kosteneffizienz hinken die Genossen aufgrund des geringeren Marktanteils von „nur“ ca. 20 % hinterher. Dies zeigt ein erneuter Blick auf den Bierdeckel: bei 18.500 Geräten mit 370 Mio. € Vollkosten p.a. und einem Transaktionsvolumen von 0,56 Mrd. (14 Mio. Kunden x 40 Transaktionen p.a.) ergeben sich geschätzte Stückkosten von ca. 0,66 €.

Anders stellt sich die Lage in den Netzen von Cash Group und CashPool dar. Die sind weder flächendeckend noch redundanzfrei ausgestaltet. Insbesondere im ländlichen Raum fällt die Netzabdeckung äußerst dünn aus. Für Sparkassen und VR-Banken ist vor diesem Hintergrund keinerlei Motivation erkennbar, ihren Wettbewerbsvorteil in der Fläche zu teilen.

Ertrags- und Kostendruck lassen Sparkassen und VR-Banken zusammenrücken

Eine Kooperation von Sparkassen und VR-Banken wäre dagegen tendenziell eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Erste zarte Annährungen zwischen diesen beiden Bankengruppen lassen sich bereits beobachten. So haben die Sparkasse Holstein und die Volksbank Ostholstein Nord - Plön im Jahr 2017 einen gemeinsamen Geldautomaten auf der Insel Fehmarn in Betrieb genommen. Im darauffolgenden Jahr haben dieselben Banken einen weiteren gemeinsamen Geldautomaten in der Gemeinde Grube installiert. Doch nicht nur im ländlichen Bereich verfolgen Banken diese Strategie, auch in der Stadt Dormagen haben die Sparkasse Neuss und die VR Bank eG im Jahr 2017 gemeinsam einen Geldautomaten aufgestellt.

Besonders radikal agieren die Taunus-Sparkasse und die Frankfurter Volksbank. Sie planen, weite Teile ihrer Filialnetze zusammenzulegen und in 50 sogenannten Finanzpunkten an jeweils zwei Tagen der Woche im Wechsel Beratungsleistungen anzubieten. Dabei verzichten sie sogar auf die markenbildenden Logos und geben damit die Möglichkeit auf, individuelle Filialgestaltung als Marketinginstrument zu nutzen. Dieses Beispiel zeigt, wie weit Sparkassen und VR-Banken im Einzelfall bereits zu gehen bereit sind, um Kosteneffizienz und eine gute Versorgung ihrer Kunden miteinander zu vereinen.

Die Entwicklung von Kooperationen im Geldautomatennetz über den einzelnen Geldautomatenverbund hinaus beginnt in Deutschland damit auch aufgrund der Regionalbankstruktur lokal begrenzt bei einzelnen Instituten. ING, Rabobank und ABN AMRO dagegen, gehen den Weg weiter, den sie 2011 mit der Gründung der gemeinsamen Betriebsgesellschaft Geldmaat angetreten haben. Der deutsche Weg verläuft damit gewissermaßen Bottom-up, während die niederländischen Häuser Top-down vorgehen.

Cash Group und CashPool nutzen ihr Synergiepotential nicht

Auf den ersten Blick scheint es, als böten sich vor allem in den Verbünden der deutschen Privatbanken, also Cash Group und CashPool, erhebliche Synergiepotenziale. Doch dieser Eindruck täuscht. Das wird nicht zuletzt dadurch verdeutlicht, dass der Abbau vermeintlicher Redundanzen bislang ausgeblieben ist.

Die Geldautomaten der Privatbanken sind bereits jetzt stark ausgelastet und das Potential hinsichtlich einer weiteren Steigerung der Transaktionszahlen ist gering. So werden im CashPool bereits heute schätzungsweise rund 60.000 Transaktionen pro Gerät und Jahr abgewickelt. Damit ergeben sich bei unterstellten jährlichen Kosten von 20.000 € pro Gerät Transaktionskosten in Höhe von effizienten 0,33 €. Damit liegen die Transaktionskosten im CashPool-Netz sogar noch unterhalb des guten Benchmarks der Sparkassen.

Eine Zusammenlegung der Netze würde das Versorgungsproblem der Kunden auf dem Land nicht lösen, da beide Verbünde auf dem Land nur schwach vertreten sind. Gleichzeitig ist die Lösung dieses Problem für die Privatbanken auch nicht vordringlich, da die Kunden dieser Banken hauptsächlich in dicht besiedelten Bundesländern zu finden sind. Beispielsweise hat die Deutsche Bank überproportional viele Kunden in Nordrhein-Westfalen, Berlin und Hamburg, dagegen sind es in den eher dünn besiedelten Flächenländern Bayern und Niedersachsen verhältnismäßig wenige.

Doch auch wenn Cash Group und CashPool versuchen sollten, Synergien zu nutzen, dürfte dies besonders Geldautomaten außerhalb von bemannten Filialen betreffen. Welche Bank aber wird bereit sein, die eigenen Kunden zur Bargeldversorgung in die Filiale einer anderen Bank zu lotsen?

In diesem Punkt jedoch unterscheiden sich Deutschland und die Niederlande stark. Im Jahr 2018 standen in den Niederlanden 1.500 Bankfilialen 7.100 Geldautomaten gegenüber, in Deutschland 28.000 Filialen 59.000 Automaten. Geldautomaten sind in Deutschland damit deutlich häufiger in den SB-Zonen von Filialen zu finden als in den Niederlanden – dies erschwert die Optimierung.

Fazit: Große Synergieeffekte sind kurzfristig nicht zu erwarten

Die Gründe für die Zusammenlegung der Geldautomatenverbünde in den Niederlanden sind prinzipiell auch auf Deutschland übertragbar. Allerdings ist die Bargeldversorgung in Deutschland wie oben beschrieben ein wichtigerer Wettbewerbsfaktor als in den Niederlanden, da diese bei der Nutzung nichtbarer Zahlungsmittel bereits weiter vorangeschritten sind.

Deutschland hat ca. 70 % mehr Geldautomaten pro Person als die Niederlande

Die Wichtigkeit von Bargeld verleiht den Sparkassen und VR-Banken mit gut ausgebautem Geldautomatennetz insbesondere auf dem Land einen strategischen Vorteil gegenüber den Privatbanken, die ihre Geldautomatennetze hauptsächlich in den urbanen Zentren betreiben. Um diesen Vorteil auch zukünftig bei steigendem Kostendruck verteidigen zu können, sind weitere Bottom-up-Kooperationen auf Institutsebene zwischen Volksbanken und Sparkassen durchaus wahrscheinlich.

Die Verbünde der deutschen Privatbanken hingegen weisen in den Städten zwar ein großes Synergiepotential auf. Allerdings betreiben sie ihre Geldautomaten bereits heute sehr effizient und vornehmlich in eigenen Filialen, wo sie auf einen Geldautomaten in der SB-Zone kaum verzichten werden.

Daher ist in Deutschland mittelfristig nicht mit groß angelegten Kooperationen der Geldautomatenverbünde zu rechnen.

Quellen:

Studie Deutsche Bundesbank: Zahlungsverhalten in Deutschland 2017
Statista: Deutsche Bank-Kunden in Deutschland nach Bundesländern im Vergleich zur Bevölkerung im Jahr 2018
Facts and figures on the Dutch payment system in 2018
Bericht Deutsche Bundesbank: Entwicklung des Bankstellennetzes im Jahr 2018
Statistik Deutsche Bundesbank: Zahlungsverkehrs- und Wertpapierabwicklung in Deutschland 2014 – 2018