Die richtige Farbe für ein Chamäleon finden
„Kommunikation“, „Steuern von Veränderungen“ oder „Mitarbeiter einbinden“ – unter Changemanagement kann alles verortet werden. Aber nicht immer ist alles sinnvoll. Damit Changemanagement zum Erfolg wird, braucht es eine Analyse der Ausgangslage und eine Einschätzung des tatsächlichen Bedarfes.
Ob Restrukturierung, Adjustierung der Unternehmensstrategie oder Kostensenkungsprogramme – Veränderungen sind fester Bestandteil des Unternehmensalltages. Für viele Mitarbeiter bedeutet das, regelmäßig in die verschiedenste Projekte – natürlich mit Anspruch auf eine echte Veränderung – eingebunden zu werden. Die Erfolgswahrscheinlichkeit von Projekten wird von Unternehmen jedoch häufig nur mit rund 50 Prozent angegeben. Bei Unterstützung durch veränderungsbegleitende Maßnahmen sind es Studien zufolge bis zu 80 Prozent – ein Return on Changemanagement von rund 30 Prozent.
Hauptsache Changemanagement –
und niemand weiß genau,
was wann wie zu tun ist.
Ob Berater, Projektleiter oder Führungskraft – mit diesen Zahlen im Hinterkopf wird fleißig kommuniziert, mit innovativen Workshopformaten gearbeitet und die lokalen Kinos für Townhallmeetings angemietet. Changemanagement ist ja schließlich wichtig: Denn Changemanagement soll die Effizienz und Effektivität von Veränderungsprojekten maximieren. Trotzdem können die meisten Unternehmen den erhofften Return on Changemanagement nicht realisieren. Vielleicht weil trotz eines einheitlichen Zielverständnisses kein einheitliches Verständnis zum Wie? besteht. Der Erste meint „Kommunikation“, der Zweite meint „Veränderungen steuern“ und der Dritte meint „Mitarbeiter einbinden“ – Hauptsache Changemanagement. Und genau hier liegen Problem und Gefahr zugleich: Changemanagement ist häufig Hygienefaktor, Teil der modernen Managementpraxis und vermeintliches Allheilmittel für den Projekterfolg – und niemand weiß genau, was wann wie zu tun ist.
Wie für das gesamte Projektvorhaben gilt auch für den Teilbereich Changemanagement – ohne ein klares Verständnis der Ausgangslage kann kein bedarfsorientiertes und zielgerichtetes Vorhaben abgeleitet werden. Also erster Schritt: Den Bedarf für veränderungsbegleitende Maßnahmen verstehen, dann können die Fragen Wer? Wie? Wann? Was? beantwortet werden.
Fitnessprogramm oder Notoperation?
Aus welcher Unternehmenssituation wird die Veränderung eingeleitet – Fitnessprogramm oder Notoperation? Die Notoperation wird nötig, weil sich das Unternehmen in einer Existenzkrise befindet, Kapital und Liquidität müssen gemanagt werden, das Tagesgeschäft stabilisiert und gegebenenfalls das Downsizing zügig umgesetzt werden. In diesem Fall hat das Überleben der Organisation höchste Priorität, die Changearchitektur, also der Rahmen für Changemanagement, wird zur Top-Down organisierten Krisenorganisation. Ohne akuten Erfolgsdruck können langsam aber stetig – wie bei einem Fitnessprogramm – die Grundlagen für zukünftige Wachstums- und Entwicklungspotenziale gelegt werden. Aktives Changemanagement ist in diesem Fall nur bei tiefgreifenden Veränderungen der bisherigen Identität notwendig.
Finetuning oder hundertprozentiges Umkrempeln?
Wie komplex ist die Veränderung – Finetuning oder vollständiges Umkrempeln einzelner oder aller Prozesse/Funktionen? Der Mensch ist von Natur aus ein Gewohnheitstier und braucht für neue Abläufe, Prozesse und Strukturen mehr Energie. Und je häufiger eine Handlung, ein Denkmuster angewandt wird, desto mehr wird es zur Gewohnheit - und desto stärker ist es verankert. Daher gilt: Je stärker und je mehr gewohnte Abläufe von Veränderungen betroffen sind, desto mehr Unterstützung, also Changemanagement, brauchen die Mitarbeiter im Prozess.
Einzelne Mitarbeiter oder die gesamte Organisation?
Wie viele Mitarbeiter sind von der Veränderung betroffen – eine Abteilung oder die gesamte Organisation? Betrifft die Veränderung eine kleine Abteilung, kann die Führungskraft selbstständig und bedarfsorientiert den Wandel managen. Spannend wird es, wenn die Veränderung über den eigenen Einflussbereich hinausgeht und Mitarbeiter unterschiedlichster Bereiche und Hierarchieebenen in unterschiedlichen Graden von der geplanten Veränderung betroffen sind.
Schwerfällige oder agile Organisation?
Wie wird die Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit der Organisation eingeschätzt – schwerfällig oder anpassungsfähig? Ist es die erste große Veränderung für die Organisation seit einigen Jahren, fällt dem Changemanagement im Vergleich zu Organisationen mit durchweg agilen Arbeitsformen eine ganz andere, wesentliche größere Bedeutung zu. Dabei impliziert eine hohe Projekterfahrenheit nicht zwangsläufig eine hohe Veränderungsbereitschaft – sind die Mitarbeiter projektmüde, fehlt der Glaube an eine echte Verbesserung, müssen in der Changearchitektur zunächst Schwerpunkte zu Mobilisierung der Mitarbeiter gesetzt werden.
- über 50 Mio.Google Einträge gibt es für Change Management – und beinahe ebenso viele unterschiedliche Interpretationen des Konzepts.
Auf Basis der skizzierten Prüfpunkte ist das Changemanagementkonzept wie ein Chamäleon, das sich seiner Umgebung angepasst. Ein Standardrezept gibt es nicht – und unter Umständen muss auf der Wegstrecke die Farbwahl noch einmal justiert werden. Für ein nachhaltig erfolgreiches Projekt gehört ein Changemanagementkonzept zum Projektaufsatz, die Dokumentation des Konzeptes erfolgt in einer Changearchitektur. Analog zu einem Projektplan können hier Maßnahmen zeitlich geplant und Verantwortlichkeiten benannt werden, also das Was? Wann? Wie? und Wer? beantwortet werden. Hier finden sich dann die vermeintlich typischen Changeinstrumente wie Kick-off-Runden, Projektnewsletter, Schulungen, etc. wieder und ermöglichen Kommunikation, die Steuerung der Veränderung und die Einbindung der Mitarbeiter. Regen, Sonne, Sturm – so abwechslungsreich wie das Wetter in Hamburg können die Instrumente und Formate im Changemanagement sein. Darum widmen wir dem Thema Changearchitektur auch einen eigenen Blog-Beitrag. (Fortsetzung folgt)