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Blog
28.08.2017 Mitarbeiterschulungen

Simulieren geht über Studieren

Ganz nach dem Motto „nach der Schulung ist vor der Schulung“ begeistern Prozess-Schulungen ihre Teilnehmer nur selten. Das muss jedoch nicht sein. Innovative Schulungsformate binden Teilnehmer aktiv ein, erhöhen den Lerneffekt und machen sogar Spaß!

Der Raum ist schwach beleuchtet, eng besetzt und die Luftqualität lässt schon zu Beginn der Schulung rapide nach. Dozent und Teilnehmer kleben vor Ihren Monitoren und klicken sich gemeinsam durch die Untiefen der zu befüllenden Masken. Zwischendurch vibrieren Handys. Kurze Blicke in die neuen E-Mails. Die Konzentration schwindet, die Schulung zieht sich. Noch mehr Masken die befüllt werden wollen. „Kollegen, achtet darauf, ansonsten kommt es später im Prozess zu Problemen“ – okay.

Die Schulung ist vorbei, frische Luft, endlich durchatmen. Nach der Schulung, zurück im Büro. Das Telefon klingelt, gleich geht es in den nächsten Kundentermin.

Seit der Schulung sind Tage vergangen und es kommt zur Nagelprobe: es gilt, die neuen Prozesse anzuwenden. Jedoch: die geschulten Abläufe, die endlose Abfolge aus Masken und Drop-Down-Feldern, verschwimmen vor dem inneren Auge. Nach einiger Zeit des Trial-and-Error ist die Frusttoleranzschwelle überschritten. Der Versuch, sich bei den Kollegen „durchzufragen“, schlägt fehl. Zu guter Letzt, werden die Experten aus der Schulung kontaktiert, die dann die Enttäuschung zu spüren bekommen. Eine konstruktive Fehlersuche und -behebung ist dann nur schwer möglich, die Aversion gegen die Veränderungen verfestigt sich.

Schulungen sind wichtig – die Durchführung aber leider zu oft Schema F

Schulungen stellen immer nur einen Baustein im gesamten Change-Prozess dar. Daher sollte die Projektleitung zunächst klären, was eine Schulung im Gesamtkontext leisten kann und leisten muss. Denn es gilt: Mit steigender Komplexität der zu vermittelnden Neuerungen steigt nicht nur die Anforderung an die Schulenden, sondern auch an die Teilnehmer. Eine Verteilung von fachlichen, prozessualen und EDV-Inhalten auf unterschiedliche Schulungen ist deshalb durchaus empfehlenswert. Dennoch werden insbesondere IT-gestützte Prozessneuerungen häufig in einer Schulung anhand der vorgesehenen IT-Anwendung durch die entsprechenden (IT-) Experten vermittelt. Leider mit meist mäßigem Erfolg. Dabei treten aus Teilnehmersicht typische Fallstricke zu Tage:

  1. Mangel an Transparenz über den Gesamtprozess und in Konsequenz ein Mangel an Verständnis für die einzuführenden Neuerungen.
  2. Verlieren in Details der IT-Anwendung und in Konsequenz einer unzureichenden Priorisierung kritischer Informationen.
  3. Keine aktive Einbindung der Teilnehmer mit negativen Konsequenzen auf den Lernerfolg.

Im Kontext der initialen Problemlösungsphase gibt es etablierte Methoden zur Adressierung dieser Fallstricke, z. B. Lego Serious Play (LSP). Für die Durchführung von Schulungen sind diese jedoch typischerweise nicht ausgerichtet. Dennoch kann auf einige wissenschaftlich fundierte Grundideen dieser Methoden zurückgegriffen werden, um Prozess-Schulungen neu zu denken.

Homo ludens – der spielende Mensch

Es liegt auf der Hand: IT-gestützte Prozessneuerungen erfordern im letzten Schritt auch die Nutzung der entsprechenden IT-Anwendung. In einer initialen Prozess-Schulung ist ein „Lösen“ von der IT-Anwendung jedoch möglich, um ein Grundverständnis zu etablieren. Abstrakte Tätigkeiten können durch Gegenstände und Objekte „greifbar“ und somit erfahrbar werden. Abteilungsübergreifende Prozesse werden dabei nicht in bestehenden „Silos“ geschult, sondern beziehen alle Prozessbeteiligten ein. Hierdurch entsteht eine Simulation des Gesamtprozesses, in der Teilnehmer ihre zukünftigen Rollen aktiv einnehmen. Damit erhalten sie ein hohes Maß an Transparenz über ihre eigenen Tätigkeiten sowie deren Beitrag im Gesamtprozess. Die Simulation kann flexibel ausgestaltet werden, um z. B. auch kritische Situationen im Trockendurchlauf zu proben. Das gemeinsame Erleben und Lösen von Problemen zahlt positiv auf eine zukünftige konstruktive Kommunikation ein und erhöht darüber hinaus das Verständnis für potenzielle Fehler(quellen).

In der Praxis hat sich die Prozess-Simulation als Schulungsformat für komplexe Neuerungen bewährt. Mit Kreativität ist dies auch mit vorhandenen Mitteln darstellbar: In einer Schulung für neue Kreditprozesse stellte eine Anzahl von Tischreihen die neuen Prozess-Straßen dar. Auf jeder dieser Straßen lagen diverse „Tätigkeiten“, d. h. bedruckt auf Zetteln, aus. Eine fahrbare Metaplanwand fungierte als Antrag. Schulungsteilnehmer aus Markt und Marktfolge befüllten den „Antrag“ sukzessive selbstständig mit den für sie vorgesehenen Tätigkeiten. Im Verlauf der Schulung wurden diverse Situationen und deren Auswirkungen auf den Antrag „durchgespielt“, d. h. simuliert. Die Schulung zog bewusst fachliche Neuerungen einer vorherigen Schulung ein, um diese zu wiederholen und in einem realistischen Kontext anzuwenden. In Summe entstand bei allen Teilnehmern ein Verständnis für den Gesamtprozess, die neuen Tätigkeiten und die Auswirkungen der fachlichen Veränderungen in den Arbeitsabläufen – und das obwohl die Schulung Spaß machte!

Um sich von der oft eingeschliffenen Schulungsdenke zu lösen, sind Mut, Neugier und Entschlossenheit von allen Beteiligten gefordert. Wenn Projektleitung, Führungskräften und Teilnehmer jedoch an einem Strang ziehen, liefert das Format der Prozess-Simulation einen wertvollen Beitrag zur Vermittlung neuer Inhalte und zahlt positiv auf den gesamten Change-Prozess ein.