OKR@work
Im Rahmen des Handelsblatt Bankengipfels haben unser Kollege Dr. Martin Bernhardt und Silke Weiser-Walther (CFO und CCO von Quoniam) die agile Managementmethode OKR vorgestellt und dabei erläutert, welche Antworten OKR auf aktuelle Herausforderungen im Umfeld von Steuerung und Performance Management liefern kann.
Die Finanzbranche hat die Zeichen der Zeit erkannt
Antwort auf die zunehmende Komplexität im Unternehmensumfeld ist für viele Unternehmen Agilität. Dabei geht es auch für Banken nicht mehr nur um die Produktentwicklung mit Design Thinking oder die schnelle App-Entwicklung durch ein Scrum-Team, sondern in zunehmendem Maße auch um die grundlegende Veränderung der Organisationsstrukturen und der Zusammenarbeitsmodelle durch agile Werte und Prinzipien. Im Zuge dieser Diskussion rücken die Themen Unternehmenssteuerung und Performance Management immer stärker in den Fokus. Denn wenn die Organisation in Summe agiler werden möchte, gilt das für diese beiden Stellhebel analog oder vielleicht sogar in besonderem Maße. Die agile Managementmethode Objectives & Key Results (OKR) bietet hierfür eine attraktive Alternative.
OKR als Alternative für die Finanzbranche
Die ursprünglich aus dem Silicon Valley (insb. Intel und Google) stammende agile Managementmethode „Objectives and Key Results“ (OKR) hat in jüngster Zeit auch in der Finanzbranche Fuß gefasst (Beispiele: ING, Commerzbank oder N26). Mit ihr lassen sich die Ziele aller Organisationseinheiten auf die strategischen Unternehmensziele ausrichten. OKR bestehen im Wesentlichen aus „Objectives“ (Zielen) und „Key Results“ (Schlüsselergebnissen). Objectives sind qualitativ, ambitioniert und inspirierend und bringen zum Ausdruck, was erreicht werden soll. Zu jedem Objective gibt es jeweils drei bis fünf Key Results. Diese sind quantitativ, messbar und eindeutig und zeigen auf, wie etwas erreicht werden kann.
Bis zu fünf dieser OKR-Sets (ein Objective plus zugehörige Key Results) werden in einem Zyklus (typischerweise ein Quartal) für jede Organisationseinheit eines Unternehmens definiert. Dabei sollen sich die Ziele einer Organisationseinheit an den Zielen der jeweils darüberliegenden Organisationseinheit orientieren, so dass schlussendlich jeder Mitarbeiter erkennen kann, wie seine Ergebnisse konkret auf die strategischen Unternehmensziele einzahlen. Nach Abschluss eines Zyklus wird die Zielerreichung der OKR-Sets durch die Bewertung der Key Results gemeinsam bestimmt. Prozentwerte zwischen 70 und 80 Prozent gelten dabei als gutes Ergebnis, da nur so eine ausreichende Ambitionierung sichergestellt ist.
OKR @work: Antworten auf aktuelle Herausforderungen
Zu den Themen Unternehmenssteuerung und Performance Management haben wir mit ganz unterschiedlichen Vertretern aus der Finanzbranche gesprochen und ihre Sicht auf die Dinge eingeholt. In diesen „O-Tönen“ gehen die jeweiligen Vertreter auf aktuelle Herausforderungen im Rahmen der agilen Transformation von Finanzdienstleistern ein. Wir zeigen auf, welche konkreten Antworten OKR hierauf bieten kann.
Um echte Finanzinnovation zu schaffen und umzusetzen, brauchen wir ein Steuerungssystem, das es uns erlaubt, flexibel zu reagieren. – Christopher Grätz, Vorstandsvorsitzender Kapilendo
OKR ist flexibel:
Durch die deutlich verkürzten Zyklen – typischerweise maximal vier Monate – bietet OKR die Möglichkeit, auf Marktentwicklungen einzugehen. Der weitverbreiteten Illusion, mit Hilfe von Jahres- oder sogar Mehrjahresplänen die Zukunft in einem komplexen Marktumfeld vorhersagen zu können, geben sich OKR als agile Methode nicht hin.
Nur die vollständige Transparenz über die Aufgaben und Ziele der anderen Bereiche ermöglicht gute Zusammenarbeit. – Piet Mahler, CEO Risk.Ident
OKR ist transparent:
Sämtliche Ziele und Zielerreichungen von OKR werden im gesamten Unternehmen veröffentlicht. Mitarbeiter erlangen dadurch nicht nur Einsicht in die Aufgaben anderer Abteilungen, sondern werden auch in die Lage versetzt, Abstimmungen zu kritischen Ressourcen frühzeitig zu führen und Abhängigkeiten besser zu identifizieren. Zudem entfaltet die Veröffentlichung der Zielerreichung eine motivierende Wirkung – und das bereits ohne die Kopplung an finanzielle Anreize.
Es ist ausgesprochen wichtig, mit dem Zielsystem alle Mitarbeiter eines Unternehmens abzuholen. Was oft passiert ist, dass man sehr stark auf den Vertrieb schaut und das ist, glaube ich, zu kurz gesprungen. – Dr. Michael Meyer, Mitglied des Vorstands, Stadtsparkasse Düsseldorf
OKR ist vollständig:
OKR betreffen alle Organisationseinheiten im gesamten Unternehmen, jeder Mitarbeiter und jedes Team baut nach dem gleichen Schema die jeweiligen OKRs auf. Eine Ungleichbehandlung etwa von Mitarbeitern im Vertrieb und Mitarbeitern in weniger kundennah agierenden Abteilungen wird vermieden.
In unserem aktuellen Transformationsprojekt ist es wichtig, alle Mitarbeiter hinter unserer Vision zu versammeln. Wir können noch so gute Strategien entwickeln – wenn wir es nicht schaffen, jedem Mitarbeiter seinen Beitrag für das große Ganze zu vermitteln, werden wir nicht erfolgreich sein. – Marco Mehler, Projektleiter Gesamtbanktransformation, Sparkasse Vogtland
OKR ist nachvollziehbar:
Durch die Ableitung der Ziele einer Organisationseinheit aus den Zielen der jeweils übergeordneten Einheit stellen OKR eine Verbindung der Ziele einzelner Mitarbeiter zu den strategischen Zielen des Unternehmens her. Damit wird für alle Mitarbeiter nachvollziehbar und greifbar, welchen Beitrag sie an den übergeordneten Zielen ihres Unternehmens leisten können.
Wir müssen das vorhandene Wissen und die guten Ideen unserer Mitarbeiter zukünftig besser nutzen. Hierfür brauchen wir eine stärkere Durchlässigkeit auf allen Ebenen der Organisation. – Andreas Fohrmann, Vorstandsvorsitzender Sparkasse Südholstein
OKR ist durchlässig:
Der Prozess der Zielvereinbarung bei OKR sieht vor, dass die Ziele jeweils unter aktiver Einbindung der Mitarbeiter im engen Austausch mit der Führungskraft entwickelt oder sogar zu einem gewissen Prozentsatz vom Mitarbeiter autark bestimmt werden. Die OKR-Methode ist somit durchlässig für konkrete Verbesserungsvorschläge, bei deren Umsetzung „Innovation aus der Basis“ entstehen kann.
Wenn wir mit der Transformation tatsächlich vorankommen wollen, müssen wir vermehrt junge Menschen in Verantwortung bringen und sie agile Projekte selbständig durchführen lassen und damit von innen heraus bestehende Organisationen, die nach wie vor sehr hierarchisch geprägt sind, aushöhlen. – Guido Leber, Bereichsleiter Konzern-/Unternehmensstrategie, ALTE LEIPZIGER
OKR fördert Verantwortungsübernahme:
Durch die Einbindung der Mitarbeiter bei der Zielfestlegung übernehmen diese Verantwortung für die eigenständige Ausrichtung der Arbeit im nächsten Zyklus. Solche selbstgesetzten Ziele werden dann erfahrungsgemäß gewissenhafter und zielstrebiger bearbeitet. Dabei entfalten OKR gerade in agilen Projekten ihr volles Potenzial, da hier sowohl der zyklische Charakter als auch das jeweilige Streben nach Fortschritt besonders ausgeprägt sind.
Lieber eine Sache richtig machen, anstatt viele Sachen parallel beginnen. Mit dem passenden Fokus sind Veränderungen effektiv und effizient
implementierbar. – Dr. Mark Aufenanger, Projektmanager, LBBW
OKR ist fokussiert:
Durch OKR und die Beschränkung auf maximal drei bis fünf Ziele für einen Zyklus wird die Arbeit ganz klar auf die jeweiligen Schwerpunktthemen fokussiert. OKR folgen damit dem agilen Grundsatz „maximize the amount of work not done“, indem Ressourcen konsequent auf priorisierten Themenfelder allokiert werden können. Auch das typische „Verzetteln“ in zu vielen Themenfeldern wird eingebremst.
Bei unseren Jungunternehmen arbeiten wir schon seit eh und je ohne persönliche Incentives und Zielvorgaben. So wollen wir sicherstellen, dass alle gemeinsam am Unternehmenserfolg arbeiten. – Jochen Klüppel, Partner, Grazia Equity
OKR fördert Gemeinsamkeit:
Um die Ambitionierung der Ziele und die entsprechende Anreizwirkung nicht negativ zu beeinflussen, darf es in OKR keine Verbindung zu einem individuellen monetären Incentive geben. OKR stellen damit die Ziele des Unternehmens über die individuelle Zielerreichung und betonen die gemeinschaftliche Zielerreichung. Ein Bonussystem sollte dann entsprechend ausgestaltet werden (z. B. über eine prozentuale Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter).
Eine Lösung für alle Probleme?
OKR sind offenbar in der Lage, auf viele Herausforderungen eine Antwort zu liefern. Insbesondere zeigt die Erfahrung, dass OKR durch die inhärente Offenheit viele Konflikte, die in Unternehmen bislang unter der Oberfläche schwelten, transparent machen und somit einer Klärung zuführen können. Dennoch sind OKR natürlich kein „Allheilmittel“. Sie zeigen ihre Stärke insbesondere dort, wo nach Veränderung gestrebt, eine inhaltliche Weiterentwicklung gewünscht sowie insgesamt versucht wird, mit mehr Agilität auf die Herausforderungen der VUCA-Welt1 zu reagieren. Spätestens wenn die im Rahmen der O-Töne genannten Themen in einem Unternehmen ebenfalls virulent sind, sollten OKR als eine mögliche Lösung in Betracht gezogen werden.
1 VUCA – Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity