Ein guter Bot muss vor allem viel verstehen – und ein bisschen Spaß machen soll er auch
2017 soll das „Jahr der Chatbots“ werden: Viele Unternehmen liebäugeln mit diesen Programmen, die selbständig mit Kunden kommunizieren. Dr. Thomas Rüdel entwickelt mit seiner Firma Kauz solche Programme, plädiert aber für realistische Erwartungen. Wichtig ist, als Unternehmen deren Einführung nicht als einmalige, sondern als Daueraufgabe zu sehen.
Was unterscheidet einen guten Bot von einem schlechten?
Das wichtigste Merkmal eines guten Bots ist natürlich, dass er möglichst viel versteht oder zumindest selten etwas total missversteht. Er sollte nützlich sein. Idealerweise macht es auch ein bisschen Spaß, mit dem Bot zu kommunizieren. Und er muss im Zeitablauf immer besser werden.
- 80%Sobald Chatbots diese Marke an richtigen Antworten „knacken“, steigt nach meiner Erfahrung die Kundenakzeptanz
Wie sieht es mit der Akzeptanz von Bots bei Kunden und Mitarbeitern aus?
Die Akzeptanz ist meines Erachtens eine einfache Funktion der Nützlichkeit. Je hilfreicher ein Bot ist, desto mehr wird er akzeptiert. Wenn er zu oft etwas nicht weiß oder nur sehr allgemeine Auskünfte gibt, wenden sich die Nutzer schnell ab.
Man muss auch berücksichtigen, dass es sich nicht um schwarz/weiß handelt, sondern um eine Frage von Schwellenwerten. Der eine Nutzer wird es akzeptieren, wenn ein Bot ab und zu etwas nicht versteht, der andere gibt gleich beim ersten Missverständnis auf. Welcher Anteil Nutzer dann insgesamt zufrieden ist, ist wahrscheinlich keine lineare Kurve, sondern eine, die über gewissen Schwellenwerten rapide ansteigt.
Es gibt leider noch keine mir bekannten empirischen Untersuchungen über den genauen Zusammenhang. Ich persönlich glaube, dass die Akzeptanz bei etwa 80 Prozent guten Antworten stark ansteigt, und oberhalb von 95 Prozent sehr hoch wird. Das sind natürlich ziemlich anspruchsvolle Werte.
Werden Bots menschliche Mitarbeiter ersetzen?
In Teilbereichen ja, in anderen nicht. Bots werden einerseits immer mehr einfache, repetitive Aufgaben übernehmen. Andererseits wird es auch Unternehmen geben, die (fast) ganz auf Bots setzen. Bei der großen Mehrheit wird es auf absehbare Zeit eher eine Kooperation sein: Wenn der Bot nicht weiterweiß, oder es sich um ein beratungsintensives Produkt handelt, übergibt er an einen menschlichen Mitarbeiter. Bots werden also im Wesentlichen den First-level-Support und einfache Beratungsfunktionen übernehmen.
Viele Unternehmen kündigen Bots groß an, doch dann passiert lange nichts – unterschätzen viele den Aufwand für einen funktionierenden Bot?
Eindeutig ja. Viele Anbieter – teilweise sehr große Firmen – haben mit ihrem Marketing völlig unrealistische Erwartungen geweckt, was Bots und „selbstlernende“ AI alles kann. Erstaunlicherweise sind auch Journalisten in diesem Bereich meist völlig unkritisch und verstärken die Illusionen noch. Die Entwicklung eines guten Bots ist ziemlich viel Arbeit. Er muss auf sehr viele Situationen vorbereitet werden – entweder mit Hilfe von Machine Learning oder mit Hilfe von semantischen und anderen linguistischen Techniken, wie wir es machen. Beides erfordert sehr viel annotierte Informationen und laufende Betreuung durch fachkundige Entwickler. Das „Selbstlernen“ ist größtenteils ein Mythos, von selbst wird ein Bot gar nichts lernen, jedenfalls nichts Brauchbares.
Was müssen Unternehmen richtig machen, wenn sie auf Chatbots setzen wollen?
Realistische Ziele setzen, schrittweise vorgehen, die Entwicklung nicht als Einmalprojekt, sondern als langfristige Aufgabe sehen. Ein Bot muss ständig weiterentwickelt und gepflegt werden. Er soll sich schließlich zu einem wichtigen Träger der Unternehmenskommunikation entwickeln.
Dr. Thomas Rüdel ist Gründer und Geschäftsführer der Kauz GmbH. Kauz entwickelt linguistisch basierte Chatbots mit dem Anspruch, Nutzerfragen wirklich zu verstehen und spezifisch zu beantworten.