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Blog
20.08.2018 Unternehmensorganisation

Die agile Führungskraft

Viele Unternehmen wollen agiler werden – dass das oft nicht klappt liegt auch daran, dass der Rolle der Führungskräfte häufig wenig Beachtung geschenkt wird: Bei vielen agilen Initiativen liegt der Fokus ausschließlich auf Rolle und Arbeitsweise der Teams. Entsprechend wenig können die Führungskräfte dazu beitragen – und entsprechend gering ist die Motivation, sich selbst überflüssig zu machen. Dabei kommt auch und gerade Führungskräften in der agilen Organisation eine neue Rolle zu.

Viele unserer Klienten im Topmanagement treibt vor allem eine Sorge um, wenn es um agile Arbeitsorganisation geht: Was geschieht mit den Teamleitern und mittleren Führungskräften, wenn bald alle selbstorganisiert arbeiten? Und auch die Führungskräfte selbst fragen sich, ob es für sie in einem agilen Unternehmen überhaupt eine Zukunft gibt. Die gute Nachricht ist: Auch agile Unternehmen benötigen nach wie vor Führungskräfte.

Agilität bedeutet nicht Anarchie oder dass jeder macht was er will. Es bedeutet vielmehr, dass selbstorganisierte, crossfunktionale Teams eigenständig die beste Lösung für vorgegebene Ziele finden. Parallel zu dieser Änderung der Arbeitsweise muss sich auch die Rolle der Führungskräfte ändern. Anstatt beispielsweise mittels eines detaillierten Projektplans abzustimmen welche Schritte aufeinander folgen müssen, sorgen sie sich zukünftig um die Frage, welche Aufgaben und Ziele die richtigen sind und wie sie Mitarbeiter und Teams weiterentwickeln müssen um diese zu erfüllen. Man könnte sagen, sie werden zu Strategen und Coaches.

Die Führungskraft als Stratege

Selbstorganisiertes Arbeiten bedeutet, dass weniger vorgegeben und kontrolliert werden muss – das gibt Führungskräften Freiräume. Diese Freiräume können genutzt werden, um (mehr) Zeit und Energie in wichtige Tätigkeiten zu stecken: sich intern auszutauschen und extern den Kontakt zum Kunden zu suchen; sich systematisch mit dem Wettbewerb auseinanderzusetzen; Ziele und Prioritäten kritisch zu hinterfragen: Was fehlt uns noch, um am Markt nicht nur gut, sondern exzellent zu sein?

Kurzum all das, was oft viel zu kurz kommt. Wie viele Führungskräfte verbringen ihre Zeit damit, sich mit den Zahlen für die Planung zu beschäftigen und sich dafür zu wappnen mögliche Abweichungen zu erklären, anstatt darüber nachzudenken, ob die Projekte und Produkte von heute auch morgen noch die richtigen sind. Es wird darüber diskutiert, wie viel ein Projekt unter oder über Plan ist, anstatt kritisch zu hinterfragen, ob und wie es zum Unternehmenserfolg beiträgt und auf die eigene Strategie einzahlt. Diese Überlegungen sind allerdings zentral, um Mitarbeitern die richtigen Ziele vorgeben zu können.

Die Führungskraft als Coach

Die zweite Rolle der Führungskraft ist die eines Coaches. Im hektischen Büroalltag bleib oft wenig Zeit, Mitarbeitern geordnetes und strukturiertes Feedback zu geben. Auch die Mitarbeiterentwicklung kommt oftmals zu kurz. Welche Kompetenzen haben meine Mitarbeiter heute? Welche brauchen sie morgen? Wie kann ich diese Kompetenzen bei ihnen entwickeln?

Dazu kommen die alltäglichen Herausforderungen: Wie kann ich Krankheitsfälle abfangen? Wie teaminterne Konflikte lösen? Welche Arbeitsbelastung kann ich meinem Team zumuten, damit die Qualität am Ende noch stimmt? Diese Fragen kann auch ein selbstorganisiertes Team nicht ohne seine Führungskraft beantworten.

Also alles kein Problem?

Die Sorge, dass Führungskräften in einer agilen Organisation die Arbeit ausgeht, ist jedenfalls unbegründet. Eher das Gegenteil ist der Fall: Sie sollten froh darüber sein, nun endlich (mehr) Zeit für die wirklich wichtigen Aufgaben zu haben.

Woher rührt also die Skepsis gegenüber agilem Arbeiten? Letztendlich bedeutet ein selbstorganisiertes Arbeiten der Mitarbeiter zu einem gewissen Grad auch einen Macht- und vor allem ein Kontrollverlust der Führungskraft. Wer Verantwortung abgibt, muss Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter haben und auch darauf vertrauen können, dass das Team Probleme nicht verheimlicht, sondern seine Führungskraft wo nötig zu Rate zieht. Eine Führungskraft ohne Vertrauensverhältnis zum eigenen Team und in Unternehmen ohne eine gewisse Fehlerakzeptanz wird diesen Kontrollverlust nicht akzeptieren.

Eine der größten Herausforderungen beim Wandel zur agilen Organisation liegt daher tatsächlich bei den Führungskräften. Viele Unternehmen werden auf massiven – aktiven und passiven – Widerstand ihrer Führungskräfte treffen. Für einen erfolgreichen Wandel gilt es daher einerseits die richtigen kulturellen Voraussetzungen zu schaffen – etwa eine Fehlerkultur im Unternehmen zu etablieren oder Strukturen zu schaffen, die Kollaboration anstatt „Ellenbogen“ belohnen und damit ein vertrauensvolles Miteinander ermöglichen. Andererseits müssen Führungskräfte ebenso wie die Teams auf ihre neue Rolle vorbereitet und im Change Prozess gecoacht und begleitet werden. Ein professionelles Change-Management ist dafür unabdingbar.