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17.08.2020 Unternehmensorganisation

Home-Office als Zukunft der Arbeit?

Die Bundesregierung möchte „mit Wumms aus der Corona-Krise“, die Wirtschaft soll mit einem Milliardenprogramm angeschoben werden. Doch nach der Krise ist vor der Krise. Viele Unternehmen bereiten sich, beschleunigt durch aktuelle Sicherheitsvorschriften, verstärkt auf einen erneuten Bedarf an erhöhter Flexibilität vor. Home-Office ist dabei das Stichwort der Stunde und gilt als Zukunft der Arbeit: Unternehmen sollen ihre Kosten herunterfahren und gleichzeitig die Produktivität der Arbeitnehmer steigern können. Höchste Zeit also, sich mit der aktuellen Datenlage zum Thema Home-Office auseinanderzusetzen und die wesentlichen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für eine erfolgreiche „Verlagerung“ der Arbeit zu beleuchten.

Arbeiten im Home-Office gewinnt seit Jahren an Beliebtheit

Untersuchungen des Digitalverbandes Bitkom belegen eine seit Jahren steigende Beliebtheit des Home-Office: während 2014 nur ca. zwei von zehn Unternehmen vom Home-Office Gebrauch machten, verdoppelte sich dieser Anteil im Jahr 2018 bereits. Dabei fühlen sich insbesondere die Arbeitnehmer zwischen 25 und 45 Jahren vom Home-Office angesprochen, mehr als jeder zweite von ihnen würde zumindest teilweise von zu Hause arbeiten. Daran haben schnellere Internetverbindungen, zuverlässigere Cloud-Lösungen und sich ändernde Ansprüche an die Work-Life-Balance sicherlich ihren Anteil.

So verwundert es nicht, dass das Arbeiten von zu Hause längst mehr als ein „nettes Extra“ ist – die Arbeitszeiten und -bedingungen spielen eine immer größere Rolle im Wettbewerb um die besten Talente. 80 % der Arbeitnehmer würden eine Anstellung mit der Möglichkeit zu flexiblem Arbeiten einer vergleichbaren Stelle ohne Möglichkeit für Home-Office vorziehen. Für jeden Dritten ist die Flexibilität, von zu Hause oder unterwegs arbeiten zu können, ein entscheidendes Kriterium bei der Jobsuche.

Von wegen faul – die Produktivität im Home-Office steigt

Empirische Untersuchungen nehmen dabei dem Argument einiger Unternehmen, dass die Arbeitszeit zu Hause häufig für arbeitsfremde Tätigkeiten genutzt wird, den Wind aus den Segeln. Die Beobachtungspunkte im Kontext unserer Beratungstätigkeit bestätigen, dass die Möglichkeit der Fernarbeit das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stärkt und die Arbeitsmoral der Beschäftigten hebt. Gleichzeitig werden Ablenkungen aus dem Büroalltag, wie z. B. eine laute Geräuschkulisse im Großraumbüro, vermieden. Im Ergebnis geben 85 % der befragten Unternehmen einer Studie an, dass die Produktivität infolge der größeren Flexibilität gestiegen ist und auch experimentelle Studien geben Hinweise auf signifikante Leistungssteigerungen durch die Einführung des Home-Office.

Home-Office trifft den Zeitgeist

Schützenhilfe erhält das Thema Home-Office dabei gleich in doppelter Hinsicht. Viele Unternehmen wurden von den vorgeschriebenen Kontaktbeschränkungen und Schutzmaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie unvorbereitet getroffen und konnten diese nur verzögert umsetzen. Durch den Einsatz von Home-Office kann der Schutz der Mitarbeiter gewährleistet bzw. das Risiko einer Infektion und der weiteren Verbreitung des Virus verringert werden. Sollte es zu einer zweiten Welle oder einer ähnlich gelagerten Pandemie kommen, können Unternehmen nun flexibel auf die Gefahrenlage reagieren und bleiben durch ihre Mitarbeiter im Home-Office handlungsfähig.

Darüber hinaus werden dem Home-Office auch positive Effekte auf das Klima zugeschrieben. Tatsächlich gilt der tägliche Weg zur Arbeit unter Experten als besonders klimaschädlich, wobei die durchschnittliche Entfernung zum Arbeitsplatz aufgrund des sich verschärfenden Mangels an günstigem Wohnraum in Ballungsgebieten seit Jahren steigt. Von Anfang an im Raumkonzept berücksichtigtes Home-Office kann also nicht nur Flächen- und Arbeitsplatzkosten für Unternehmen senken, sondern durch die Verringerung von Pendlerverkehr auch direkt zu einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen beitragen.

Auch wenn der Klimaaspekt aktuell nicht im Vordergrund steht, dürfte der ökologische Fußabdruck von Unternehmen zukünftig wieder erhöhte Aufmerksamkeit erfahren. Fachleute erwarten, dass spätestens mit einem Impfstoff das frühere Leben weitgehend zurückkehren wird – und mit ihm die Umweltbelastung durch den Verkehr. Studien zeigen, dass Unternehmen, die sich der Integration von Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsthemen (ESG-Themen) verschreiben, sich von ihrer Konkurrenz positiv abheben und von ihrer Verantwortungsübernahme profitieren können. Die Einführung des Home-Office kann hierbei einen wesentlichen Baustein bilden.

Warum arbeiten wir also nicht alle von zu Hause aus?

Für den erfolgreichen Einsatz von Home-Office sind einige Rahmenbedingungen und wesentliche Voraussetzungen zu beachten. Zunächst einmal kann selbstverständlich nicht jeder Arbeitsplatz ins Home-Office verlagert werden, die entsprechende Tätigkeit muss distanzbasiert ausführbar sein. Gleichzeitig gilt es, eine Reihe „technischer“ Aspekte zu lösen: so sind auch im Home-Office die gestiegenen Anforderungen an Datenschutz und -sicherheit zu gewährleisten. Gleichzeitig müssen die Beschäftigten auch von zu Hause in der Lage sein, auf Daten zuzugreifen und gemeinsam mit Kollegen an diesen zu arbeiten. Hierzu gehört nicht nur eine schnelle und stabile Datenleitung, sondern insbesondere auch ein Unternehmenslaptop inkl. erforderlicher Programme (u. a. Voice-/Videochat) und Zugriff auf das Unternehmensnetzwerk. In vielen Unternehmen sind Desktop-Computer Standard und der Wechsel zu Notebooks ist nicht nur kostenintensiv, sondern bindet auch Kapazitäten der IT.

Die digitale Verfügbarkeit von Informationen und Daten ist dabei unserer Erfahrung nach eine nicht zu verachtende Hürde, stellt der Einsatz papierbasierter Akten für die Mehrzahl der Unternehmen doch weiterhin den Arbeitsalltag dar. Als Berater haben wir bereits eine Vielzahl an Unternehmen bei Aufsatz und Durchführung eines Digitalisierungsvorhabens begleitet: von der Auswahl geeigneter Dienstleister für die Aktendigitalisierung über die Konzeption von digitalen Arbeitsschritten, die Einbettung in übergeordnete Prozesse bis hin zur Etablierung eines konsequenten Monitorings. Der Mehrwert digitaler Akten ist dabei nicht auf das Home-Office beschränkt, auch die reguläre Arbeit im Büro profitiert in großem Maße.

Zweifellos spielt auch die unternehmenseigene Kultur eine wichtige Rolle. Informationsflüsse müssen trotz räumlicher Distanz sichergestellt werden, fehlende soziale Kontakte zu Kollegen dürfen nicht zu Isolation führen. Das Management hat die besondere Herausforderung, Teams trotz räumlicher Trennung zu motivieren und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu ermöglichen. Das geteilte Wertesystem sollte sich durch selbstständiges Arbeiten, Kollaboration und fortlaufenden Austausch auszeichnen, Mitarbeiter sollten anhand von Resultaten und nicht anhand geleisteter Stunden gemessen werden. Für den Einsatz von Home-Office sind möglicherweise auch alternative Prozesse zur Steuerung von Arbeitsabläufen und der Verteilung von Aufgaben sowie angepasste Feedbackmechanismen notwendig.

Nicht zuletzt ist auch nicht jeder Mitarbeiter gewillt, aus dem Home-Office heraus zu arbeiten. Die gewonnene Flexibilität erfordert eine starke Selbstdisziplin, um sich nicht von Familie, Nachbarn oder dem Haushalt ablenken zu lassen oder aber sich durch die unscharfe Trennung von Arbeit und Privatem zu verausgaben und Pausen zu vernachlässigen.

Rechtliche Rahmenbedingungen gelten auch im Home-Office

Auch wenn Fragen rund um den Arbeitsschutz, die Zeiterfassung und ähnliche Punkte aufgrund der erforderlichen schnellen Reaktion der Unternehmen auf die Corona-Pandemie kaum Beachtung gefunden haben: die rechtlichen Maßgaben hierfür sind beschrieben und müssen auch in einer Krise eingehalten werden. So gelten für Arbeitnehmer, die in ihrer eigenen häuslichen Umgebung tätig sind, in gleicher Weise alle arbeits- und gesundheitsschutzrechtlichen Vorschriften wie für ihre Kollegen vor Ort im Betrieb des Arbeitgebers. Teilweise ist die praktische Auslegung jedoch schwierig und setzt eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und -nehmer voraus.

Beispielsweise ist die arbeitsrechtlich vorgeschriebene Einrichtung und Kontrolle des Arbeitsplatzes für den Arbeitgeber für einen Home-Office-Arbeitsplatz kaum durchzuführen, da er kein Recht auf Zugang zu den privaten Räumlichkeiten des Arbeitnehmers hat. Jedoch sind die Beschäftigten nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten und nach Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen und somit zur Kooperation mit dem Arbeitgeber verpflichtet. Eine schriftliche Vereinbarung, z. B. als Ergänzung zum Arbeitsvertrag, schafft hier für beide Seiten Sicherheit – eine Pflicht zur Begehung des Arbeitsplatzes im Home-Office besteht z. B. nicht, eine Befragung zur Situation im Home-Office reicht aus.

Mit der Arbeitszeiterfassung verhält es sich ähnlich: das Arbeitszeitgesetz gilt auch außerhalb des Büros, eine zuverlässige Überwachung gestaltet sich jedoch schwierig. Um ihre Fürsorgepflicht zu erfüllen, können Arbeitgeber die Zeiterfassung jedoch an ihre Arbeitnehmer delegieren. Den Arbeitnehmern ist dafür ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Erfassung der Arbeitszeit zur Verfügung zu stellen – eine Cloud-Lösung, beispielsweise als App, bietet sich hierfür an. In der praktischen Umsetzung des Home-Office haben sich darüber hinaus Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag durchgesetzt, die die Arbeitnehmer verpflichten, die tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden, die Einlegung von Pausen nach spätestens sechs Stunden sowie die elfstündige Ruhepause zwischen zwei Arbeitstagen einzuhalten.

Rein rechtlich muss der Arbeitgeber für Kosten aufkommen, die dem Arbeitnehmer bei der Erfüllung seiner Arbeitspflicht entstehen. Im Home-Office sind die tatsächlich im Zusammenhang mit der Arbeit anfallenden (Zusatz-)Kosten jedoch mitunter undurchsichtig. Bei zwingend benötigtem Arbeitsmaterial (Büromaterial, Druckpapier, Druckpatronen, …) kann noch recht exakt und einfach zwischen privat und beruflich veranlassten Aufwendungen differenziert werden. Anders verhält es sich bei Strom-, Wasser- und Heizkosten, bei denen eine exakte Erfassung und Zuordnung weder möglich sind noch in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand stehen. Damit die Fragen zur Aufwandserstattung im Home-Office nicht Überhand nehmen, empfiehlt es sich, eine Pauschale zu vereinbaren. Eine solche Pauschale beläuft sich zumeist auf 50 € im Monat. Aufwendungen, welche auch ohne die Arbeit im Home-Office anfallen, wie beispielsweise monatliche Kosten für den Internetzugang oder auch die Miete, begründen hingegen keinen Anspruch auf Erstattung. Es besteht außerdem die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbaren, dass derartige zusätzliche Aufwände im Rahmen des Home-Office bereits durch das Arbeitsentgelt abgegolten sind, sofern die Aufwendungen einen geringen Teil des Entgelts ausmachen.

Festzustellen gilt außerdem, dass der Arbeitgeber grundsätzlich kein Recht hat, einseitig das Arbeiten von zu Hause anzuordnen. Gleichermaßen besteht, zumindest aktuell, kein Anspruch darauf, von zu Hause aus zu Arbeiten. Es bedarf hierfür einer Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber – in der augenblicklichen Situation erscheint es jedoch sinnvoll, sich über die Möglichkeiten der Home-Office-Arbeit grundsätzlich und pragmatisch zu verständigen.

Wie die Einführung des Home-Office gelingen kann

Klar ist, dass die Einführung von Home-Office Zeit und Vorbereitung benötigt. Aus einem in bestehenden Strukturen gefangenen Unternehmen wird nicht über Nacht ein New-Work-Vorreiter wie Twitter. Dennoch können verschiedene Schritte unternommen werden, um die Flexibilität der Arbeit sowie der Arbeitnehmer allmählich zu steigern.

Ein guter Startpunkt sind hierbei die technischen und kulturellen Aspekte. Initiale Maßnahmen sollten darauf abzielen, die Beschäftigten an das Arbeiten in der Cloud heranzuführen und sie im Umgang mit neuer Software zu schulen. Eine Umgestaltung der Bürofläche im Sinne flexibler Arbeitsplätze („Desk Sharing“) kann einen eventuell erforderlichen kulturellen Wandel befördern. Zur Unterstützung der Arbeit aus dem Home-Office gehen einige Unternehmen sogar so weit, ihren Mitarbeitern auch Home-Office-Produkte anzubieten. Die Bandbreite reicht hierbei von Dockingstationen für Notebooks, geeignete Monitore über höhenverstellbare Schreibtische bis hin zu ergonomischen Schreibtischstühlen.

Nichtsdestotrotz sollte, insbesondere in der Anfangsphase, die Home-Office-Regelung zunächst nur als Belohnung eingesetzt werden, z. B. auf individueller und probeweiser Basis. Sie kann beispielsweise als Teil einer Beförderung oder anstelle einer Gehaltserhöhung gewährt werden. Diese Vorgehensweise führt dazu, dass das Home-Office mit positiven Attributen konnotiert wird und sich Mitarbeiter über eine längere Zeit an die neue Art der Zusammenarbeit gewöhnen können.

Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass ein bis zwei Tage Home-Office pro Woche optimal sind – längere bzw. häufigere Phasen tendieren dazu, den Zusammenhalt des Teams zu gefährden. Insbesondere Neueinsteiger haben es ansonsten schwer, einen Zugang zur Unternehmenskultur zu finden und persönliche Beziehungen zu Kollegen aufzubauen.

Fazit:

Unternehmen müssen sich weiterentwickeln

Die jüngsten Ereignisse werden zweifellos viele Unternehmen motivieren, proaktiver zu handeln und Vorkehrungen für langfristig mobile Mitarbeiter zu treffen. Richtig genutzt kann das Home-Office Motivation und Produktivität steigern und auch in schwierigen Zeiten die Handlungsfähigkeit von Unternehmen sicherstellen. Während der Transitionsphase hin zu dieser „neuen Normalität“ sind herausfordernde Entscheidungen auf Managementebene zu fällen, Prozesse zu digitalisieren, neue Systeme einzuführen und die Arbeit neu zu organisieren. Das Ergebnis dieser Bemühungen indes, so zeigen die Aussagen von Unternehmen und Beschäftigten gleichermaßen, spricht für sich. Die klassische Denke, dass man immer vor Ort sein muss, wird in Zukunft immer stärker aufbrechen – Unternehmen tun gut daran, sich bereits heute auf das Morgen vorzubereiten.