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03.04.2018 Energiemanagement

Mit Energiespar-Kennzahlen zu nachhaltigem Erfolg

Fast alle Unternehmen betonen Energiesparen prominent in ihren Nachhaltigkeitsstrategien. Oft hapert es aber an der Umsetzung – und das trotz wachsender Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Geeignete Energiespar-Kennzahlen können Unternehmen helfen, das Thema angemessen und zukunftsfähig zu verankern.

Nachhaltiges und ökologisch verantwortliches Handeln ist heute für die meisten Unternehmen selbstverständlich. Entsprechende, teils abstrakte Unternehmensziele finden sich häufig prominent auf Webseiten und in Imagebroschüren wieder. Einige Unternehmen gehen noch einen Schritt weiter und geben sich ganz konkrete Zielvorgaben: So hat sich etwa die Deutsche Bahn (immerhin der größte Energieverbraucher Deutschlands) dem Ziel „Umwelt-Vorreiter“ verschrieben und möchte bis 2030 ihre CO2-Emissionen gegenüber 2006 halbieren. Siemens strebt an, bis 2030 sogar vollständig klimaneutral zu arbeiten. Und in der Gruppe RE100 haben sich über 100 weltweit einflussreiche Unternehmen zusammengeschlossen, um das Ziel einer hundertprozentigen Versorgung aus regenerativen Energien zu erreichen.

Energiemanagementsysteme augenscheinlich auf dem Vormarsch

Viele Unternehmen haben erkannt, dass diese ambitionierten Zielvorgaben nur über eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz erreichbar sind. Hierfür müssen sie technische und betriebliche Maßnahmen ergreifen – und geeignete Regelwerke aufstellen, um das Thema konsequent, nachprüfbar und vor allem auch glaubhaft voranzutreiben. Mit Veröffentlichung der DIN EN ISO 50001 hat die International Organisation for Standardisation (ISO) im Juni 2011 erstmals einen weltweit einheitlichen Standard für Energiemanagementsysteme geschaffen. Die Norm hilft Unternehmen dabei, ihren Energieverbrauch durch den Aufbau von dazu notwendigen Systemen und Prozessen zu verringern. Seit der Veröffentlichung hat in Deutschland die Anzahl der Unternehmen mit einem entsprechend zertifizierten Energiemanagementsystem stark zugenommen: Alleine zwischen 2014 und 2016 hat sich die Anzahl von circa 3.400 auf etwa 9.000 Unternehmen fast verdreifacht. Damit sind in vielen Unternehmen prinzipiell die methodischen Grundlagen für eine systematische Reduktion des Energieverbrauchs gelegt.

Häufig selektive Umsetzung

Hintergrund für dieses Zertifizierungs-Wachstum ist aber weniger der plötzliche Wille zum Energiesparen, sondern vielmehr die Gesetzgebung: Seit 2013 besteht aufgrund einer vom Bundestag beschlossenen Änderung des §10 StromStG die Verpflichtung zu einem Energiemanagementsystem oder Öko-Audit (bei kleinen und mittleren Unternehmen), um den sogenannten „Spitzenausgleich bei der Strom- und Energiesteuer“ in Anspruch nehmen zu können. Über diese Regelung können sich Unternehmen ihre Stromsteuerlast zumindest teilweise erstatten lassen.

Unsere Erfahrungen bestätigen, dass viele Unternehmen Energiesparen nur dann wirklich ernsthaft betreiben, wenn Energie ein wesentlicher Kostenfaktor ist oder eine sehr kurzfristige Amortisationsdauer für entsprechende Maßnahmen (häufig weniger als 2 Jahre als Vorgabe) möglich scheint. Langfristig wirksame Öko-Maßnahmen unterliegen somit häufig dem Diktat kurzfristiger Kostensenkung.

  • Zwei Jahre
    Energiesparinitiativen haben es im Unternehmen oft schwer: Amortisiert sich eine Maßnahme innerhalb von zwei Jahren nicht, ist sie schnell vom Tisch.

Zukunftsfähige Aufstellung statt kurzfristiger Kostenfokus

Dabei sprechen viele Gründe dafür, sich vom kurzfristigen Kostenfokus zu lösen und Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen:

  • Weiter steigende Energiekosten (insbesondere getrieben durch den notwendigen Ausbau der Energienetze und kostenintensiver Speichertechnologien): Jüngst hat etwa der Übertragungsnetzbetreiber TenneT den Arbeitspreis für die Netzentgelte des Höchstspannungsnetzes von 2016 auf 2017 um 83 Prozent erhöht.
  • Wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit: Von der Umwelt-Enzyklika des Papstes Franziskus aus dem Jahr 2015 bis hin zu verstärkten Investitionen in ökologisch agierende Fonds („Green Bonds“) – Nachhaltigkeit gewinnt für Konsumenten weiter an Bedeutung und wird so entlang der gesamten Wertschöpfungskette auch für Unternehmen zu einem echten Wettbewerbsvorteil.
  • Umweltschutz auf der politischen Agenda: Auch die Politik wird an ihren eigenen Zielvorgaben gemessen – im aktuellen Koalitionsvertrag ist die Rede von circa 65 Prozent erneuerbaren Energien bis 2030. Mithin werden auch zukünftig Anreize für nachhaltiges Handeln geschaffen werden müssen. Hier lohnt sich Weitblick für Unternehmen: Wer früh auf eine energieeffiziente Produktion umstellt, kann auch eine lange Historie an Energieeinsparungen nachweisen. Das hilft nicht nur beim Aufbau von Glaubwürdigkeit gegenüber den Konsumenten, sondern unter Umständen auch bei der Beantragung von Fördergeldern des Bundes.

Energiesparen startet mit Verstehen

Noch ist Energieverbrauch häufig eher akzeptierte Konstante als echte Entscheidungsgröße im Zielkonflikt mit Flexibilität und Wirtschaftlichkeit. Wird etwa eine Maschine im Standby-Modus belassen, erhöht dies ihre kurzfristige Verfügbarkeit, steigert aber zugleich den Energieverbrauch. In vielen Unternehmen ist dieser Zielkonflikt jedoch gar nicht transparent: Energiekennzahlen sind nur selten Bestandteil der etablierten Zielsystematik. Mit der Verbesserung der Flexibilität wird in diesem Fall nur „eine Seite der Medaille“ betrachtet und es drohen Fehlsteuerungen. Um die Wirkungszusammenhänge transparent aufzuzeigen, sind geeignete Kennzahlen mit Einfluss auf den Energieverbrauch auf allen Ebenen zu implementieren und in ein übergreifendes Zielsystem zu integrieren. Dies könnte dann im zuvor genannten Beispiel dazu führen, dass pragmatische Regeln im Umgang mit dem Standby-Modus einen Ausgleich zwischen ökonomischen und ökologischen Zielvorgaben ermöglichen.

Verbindlichkeit durch Zielwerte

Der Stellenwert des Energiesparens und somit auch dessen Gewicht im Zielsystem sind für jedes Unternehmen individuell zu klären. Gleichwohl sollten die Entscheider im Unternehmen die zuvor genannten Entwicklungen im Auge behalten und Anreize punktgenau dort setzen, wo Energieverbrauch auch beeinflusst werden kann. Leitlinie für die Festlegung von Zielwerten und Voraussetzung für die mitarbeiterseitige Akzeptanz ist dabei stets die Frage, welche konkrete Einflussmöglichkeit auf eine Energiespar-Kennzahl ein bestimmter Mitarbeiter durch sein Handeln hat. Ein individuelles Ambitionsniveau kann sich dabei auch nach im Vorfeld erzielten Erfolgen richten. Für bereits in der Vergangenheit energiesparsam agierende Mitarbeiter könnte etwa die Ambition aufgrund ihrer somit erschwerten Ausgangsbasis etwas verringert werden. Werden entsprechende Regeln transparent und nachvollziehbar kommuniziert, steigert auch dies die Akzeptanz – selbst bei Mitarbeitern, die hierdurch ein etwas höheres Ambitionsniveau zu erreichen haben.

Change-Prozess für Erfolg

Die Einführung von Kennzahlen mit Zielwerten ohne begleitenden Change-Prozess ist aber immer noch zu kurz gedacht, das zeigen auch unsere Erfahrungen. Den Mitarbeitern ist anhand von Kennzahlen nachvollziehbar zu vermitteln, mit welchen konkreten technischen Maßnahmen und betrieblichen Verhaltensänderungen sie persönlich zum Energiesparen beitragen und damit ihre individuellen Ziele erfüllen können. Nur wer alle Mitarbeiter auf allen Ebenen abholt und sie im gesamten Change-Prozess eng begleitet, kann auch seine übergreifenden Ziele erreichen und so die zukunftsfähige Aufstellung des Unternehmens im Blick behalten. Anfängliche Skepsis gegenüber einer neuen Kennzahl kann hierdurch in echte, nachhaltige Aufbruchsstimmung überführt werden.