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Blog
21.01.2019 Innovationsmanagement

Im Sprint zum Prototyp

Auf die Geschwindigkeit kommt es an – so lautet das Credo, wenn es darum geht, Wettbewerbsvorteile durch Ideen und Innovationen zu sichern. Dabei überfordern Unternehmen oftmals ihre Organisation. Berg Lund & Company (BLC) hat bei einem führenden deutschen Bankenverband in diesem Kontext sehr gute Erfahrungen mit einem innovativen Sprintformat gemacht. In nur fünf Tagen ist es gelungen, den Prototyp eines neuen digitalen Angebots für Bankkunden zu konzipieren.

Agilität: viel Lärm um nichts?

Scrum, Design Thinking, Lean Startup, LeSS, Kanban oder Scrumban – in Zeiten beschleunigter Entwicklungszyklen auf der Suche nach dem Geschäftsmodell der Zukunft erscheinen Methoden agilen Projektmanagements oftmals als Königsweg zu innovativen Ideen. Dabei begegnen viele Unternehmen der Aussicht auf eine Transformation hin zu einer agilen Organisation mit Skepsis. Zu disruptiv erscheinen die Auswirkungen auf die bewährte Steuerung von Ressourcen und Projekten, zu radikal der Wandel von Rollenprofilen und Arbeitsroutinen.

Indes bestätigt die Erfahrung eines kürzlich erfolgreich umgesetzten fünftägigen Sprints zur Konzeption einer digitalen Lösung für die Kunden eines führenden deutschen Bankenverbands: agile Arbeits- und Planungsformate können einen signifikanten Mehrwert stiften – ohne bestehende Unternehmens- oder Projektorganisationen im Vorfeld grundsätzlich neu denken zu müssen.

In den Startlöchern: Ausgangssituation

Bedingt durch einen ambitionierten Zeitplan und hohe Ergebniserwartungen stand das Projektteam vor der Herausforderung, innerhalb einer Woche einen ersten Prototyp des digitalen Angebots zu entwickeln, um die weitere Projektbeauftragung und -finanzierung sicherzustellen. Wie kann also innerhalb kürzester Zeit mit hohem Ergebnisdruck eine „Innovation auf Knopfdruck“ gelingen?

Etablierte Innovationsmethoden gehen idealtypisch davon aus, dass zunächst Rahmenbedingungen – wie beispielsweise flache Hierarchien – geschaffen werden müssen, um agile „Werkzeuge“ wirkungsvoll einsetzen zu können. Jedoch war es kurzfristig nicht möglich, die Projektorganisation neu auszurichten oder das Projektteam umfassend zu schulen. Es brauchte eine eng getaktete Workshopserie, die die Flexibilität agilen Projektmanagements mit konsequenter Ergebnisorientierung verbinden würde – ohne das gesamte Instrumentarium verschiedener Frameworks ausschöpfen zu müssen.

Das Sprintformat: Inhalte & Vorgehen

Tag 1: Klarer Kundenfokus

Zum Auftakt der Workshopserie wurden konzeptionelle Ideen für die geplante Anwendung vorgestellt. Mit den ersten Ideen der Anwendung und einer klaren Vision der angestrebten Sprintergebnisse vor Augen definierte das Team Kundengruppen mit idealtypischen Eigenschaften (Personas), die ein weites Spektrum der Anforderungen an die Anwendung abdecken sollten.

Dabei wurden in paralleler Teamarbeit Kundenerwartungen antizipiert, unterschiedliche Nutzerverhalten mit Hilfe von „customer journeys“ simuliert sowie Mehrwerte und Alleinstellungsmerkmale definiert. Im Idealfall werden bereits in dieser frühen Phase potenzielle Kunden einbezogen, um eigene Gedanken mit „realen Präferenzen“ anzureichern.

Tag 2: Das Kano-Modell

Ob Design Thinking oder Scrum – Arbeitsplanung und Priorisierung sind bei agilen Methoden stets als iterative Prozesse angelegt. So werden Arbeitsergebnisse kontinuierlich erhärtet, Annahmen und Hypothesen erneut diskutiert, bestätigt oder verworfen. Das Ziel des zweiten Workshoptages war es, Kundenpräferenzen in Anlehnung an das etablierte Kano-Modell in Features der geplanten Anwendung zu übersetzen und zu bewerten.

Das Konzept basiert auf der Überlegung, dass ein Produkt stets sowohl Basis- und Leistungsmerkmale als auch Begeisterungselemente enthalten muss, um vielfältigen Kundenanforderungen gerecht zu werden. Prototypen sollten daher stets als kundenorientierter Querschnitt verschiedener Produkt-Features entwickelt werden – ein Aspekt, der außerhalb der IT-Branche gern übersehen wird.

Tag 3: Features und Feinschliff

Die dritte Sprintetappe konzentrierte sich auf die weitere Ausgestaltung jener Features, die das Projektteam als Ausdruck des größten erwarteten Mehrwerts an Tag 2 am besten bewertete. Dabei bestand die zentrale Herausforderung darin, die Funktionen einerseits nach Minimalanforderungen an einen Prototyp und andererseits nach denkbaren Produktmerkmalen zukünftiger Ausbaustufen zu differenzieren.

In Unternehmen werden zahlreiche Initiativen und Projekte parallel vorangetrieben – häufig ohne gegenseitige Kenntnis über Ziele und Arbeitsfortschritte. Daher war es erfolgskritisch, die Frage zu beantworten, wie sich das neue Angebot in das Ökosystem bestehender Anwendungen einbinden lassen würde. Dabei zeigten sich vielversprechende Anknüpfungspunkte, um den Funktionsumfang des Prototyps deutlich zu steigern.

Tag 4: Konzeptioneller Endspurt

Der vierte Teilsprint zielte auf die Beschreibung des Zusammenspiels der Kernfunktionen des Prototyps. Vor dem Hintergrund der iterativ spezifizierten Personas und Features modellierte das Team Prozesse und Datenströme mit Hilfe von Datenflussdiagrammen („swimlanes“). Dabei wurde deutlich, dass nicht alle Fragen zur technischen Umsetzung unmittelbar im Konzeptionssprint beantwortet werden können. Im Zuge der Spezifikation war es daher entscheidend, offene Punkte in einem separaten Themenspeicher zur nachgelagerten Klärung zu sammeln.

Am Ende des vierten Teilsprints stand das Grobkonzept des Prototyps, der unter anderem das Basiselement der Offlinefähigkeit mit dem Leistungsmerkmal einer automatischen Dokumentenerkennung und den Begeisterung-Features von Fingerprint und FaceID in sich vereinen sollte.

Tag 5: Ergebnissicherung und Reflektion

Auf den letzten Metern des Sprints wurden der weitere Zeitplan und die nächsten Schritte definiert: die Kommunikation und Vermarktung der Sprintergebnisse sowie die Planung einer internen Testcommunity. Nach der Überquerung der Ziellinie reflektierte das Team die Sprintmethoden und -ergebnisse. In diesem Zusammenhang wurde deutlich, dass externe Moderation vom Startschuss bis zum Endspurt einen facettenreichen Beitrag leisten kann, um Perspektivwechsel anzuregen, verschiedene Arbeitsstränge zusammenzuführen und die Sprintergebnisse kritisch zu bewerten.

Agiles Projektmanagement bietet gewiss keine Blaupause, um aus vagen Ideen wie von Zauberhand „the next big thing" entstehen zu lassen. Die maßvolle Einbindung agiler Methoden ermöglicht es jedoch, die kreativen Fähigkeiten motivierter Teams innerhalb kürzester Zeit auf ein gemeinsames Ziel auszurichten und innovative Ansätze zu vielversprechenden Produkten weiterzuentwickeln.

Dieser Artikel erschien am 25. Januar 2019 in einer gekürzten Fassung auf Springer Professional.