Gehe zum Hauptinhalt
Blog
04.12.2017 Innovative Büroraumgestaltung

Konzentration, Kommunikation, Kreation und Kaffee

Neue Arbeitsformen erfordern neue Bürokonzepte. Doch wie sieht die optimale Gestaltung des Arbeitsumfeldes aus? Johanna Rosenbusch, Mitinhaberin der Innovationsunternehmung INNOVATION RADICALS, bestätigt, dass ausgewogene Konzepte mit Blick für individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter erforderlich sind.

Unser Arbeitsumfeld unterliegt einem starken Wandel. Lange Zeit haben wir unsere Arbeit innerhalb klar abgesteckter Grenzen erledigt. Der Fokus lag dabei auf einer Abarbeitung aufeinanderfolgender Arbeitsschritte. Eine Verschiebung hin zur Wissensarbeit, die zunehmende Internationalisierung, virtuelle Teams und eine deutlich höhere Geschwindigkeit sind nur beispielhafte Faktoren, die inzwischen zu einem neuen Verständnis in unserer Arbeitswelt führen. Agilität, Kreativität und Kollaboration gewinnen an Bedeutung. Es stellt sich die Frage, wie ein intelligent gestaltetes Umfeld diese Anforderungen unterstützen kann. „Wir setzen konsequent auf Großraumbüros, um die Kommunikation zu fördern. Und ein Kickertisch für die Mitarbeiter, der wäre auch nicht schlecht!“ So oder so ähnlich könnte eine schnelle Antwort auf diese Frage aussehen. Zahlen gefällig? Das Massachusetts Institute of Technology hat nachgewiesen, dass 85 Prozent aller Ideen durch ungeplante Kommunikation der Mitarbeiter entstehen, was eindeutig für ein Großraumkonzept spricht.

Doch so einfach ist es nicht. Unternehmen sollten zwar Gelegenheiten für ungeplante Kommunikation schaffen, dabei allerdings darauf achten, dass auch eine gewisse Privatsphäre erforderlich ist, um konzentriert arbeiten zu können. So gibt es zahlreiche Studien, die nachweisen, dass sich Mitarbeiter in einem Großraumumfeld gestört fühlen. Laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz nimmt die Fehlerhäufigkeit durch einen erhöhten Geräuschpegel um bis zu 113 Prozent zu.

Auch praktische Beispiele verdeutlichen, dass die Antwort keinesfalls trivial ist: Die Fluggesellschaft SAS schaffte Ende der 1980er Jahre ein neues Konzept für ihre Konzernzentrale. Das Gebäude wurde von einer zentralen „Straße“ durchzogen, die als Verbindung verschiedener Einrichtungen diente. Unter anderem wurden ein Café, ein Shoppingbereich, Sportangebote und weitere Einrichtungen, wie etwa multifunktionale Räume mit aufwändiger Möblierung und Kaffeeautomaten geschaffen. Das Ziel: Die Förderung informeller Gespräche. Das Ergebnis: Ernüchternd! Die Angebote wurden nur mäßig genutzt, ein Großteil der Gespräche wurde weiterhin in herkömmlichen Büros geführt. Die Beobachtungen legen nahe, dass intelligente und ausgewogene Konzepte erforderlich sind, um den Herausforderungen der neuen Arbeitswelt zu begegnen. Hierbei zu berücksichtigen: Eine Balance der vier Ks – Konzentration, Kommunikation, Kreation und Kaffee.

Im Interview erläutert Johanna Rosenbusch, Mitinhaberin der Innovationsunternehmung INNOVATION RADICALS, ihre Sicht auf die Wirkung des Umfeldes auf Mitarbeiterproduktivität und -kreativität.

Worauf kommt es bei der Gestaltung von Büroräumen an, wenn man effizientes Arbeiten fördern möchte?

Wie die meisten vermutlich aus eigener Erfahrung bestätigen können, hat das Arbeitsumfeld einen beachtlichen Einfluss auf die Produktivität. Grundsätzlich bedeutet das zunächst, dass im Idealfall je nach Tätigkeit eine passende Umgebung geschaffen werden sollte. Für eine hitzige Telefonkonferenz ist beispielsweise eine Telefonkabine ideal. Für die Kreativsession mit den Kollegen ein Break-out Raum. Für das konzentrierte Abarbeiten von E-Mails ein ungestörter Einzelarbeitsplatz.

Bei der genauen Gestaltung der Büroräume sind schließlich die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Der eine ist völlig blind für die wachsenden Papierstapel um sich herum, den Büronachbarn treibt dieses „Chaos“ in den Wahnsinn. Wichtig ist das Bewusstsein, dass die eigenen idealen Arbeitsbedingungen nicht zwingend mit denen der Kollegen übereinstimmen müssen. Ein intensiver Dialog hilft, gemeinsame Präferenzen und Wahrnehmungen zu identifizieren. Ich empfehle dringend, eine neue Raumgestaltung mit den Mitarbeitern gemeinsam zu erarbeiten. Oft sieht es im Vorhinein so aus, als könnten in den bestehenden Räumen niemals alle Bedürfnisse untergebracht werden – und im Kreativprozess findet man dann doch Möglichkeiten.

Welche Unternehmen sind aus Ihrer Sicht Vorreiter bei der Büroraumgestaltung? Was machen diese Unternehmen besser als andere?

Ich persönlich hatte die Gelegenheit, Office-Spaces von Google und facebook zu besuchen, die ich als sehr inspirierend empfunden habe. Die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter werden dort sehr ernst genommen. Das geht von Laptop-Ablagefächern in den Waschräumen bis hin zu ausgewiesenen Meditations- und Ruheräumen. Darüber hinaus stehen zahlreiche Arbeitsumfelder und Raumkonzepte zur Verfügung, die je nach Tätigkeit und individueller Präferenz genutzt werden können. Wer möchte, kann beispielsweise auch in einem der hausinternen Cafés arbeiten.

In eine ähnliche Richtung gehen auch einige der jüngeren Coworking-Spaces. So ist es beim Anbieter rent24 möglich, auch mal ein Kino zu buchen.

In Ihren Workshops spielen Innovativität und Kreativität eine große Rolle. Wie sieht der ideale Raum aus, um kreativ zu arbeiten?

Bei dieser Frage ist zu differenzieren, ob die Kreativität eines individuellen Mitarbeiters oder die Kreativität eines Teams gefördert werden soll. Im Falle des individuellen Mitarbeiters ist dies schwer pauschal zu beantworten. Hier entscheiden die individuellen Präferenzen. Für Teams kann ich folgende Empfehlungen geben:

  1. Es sollte sich um einen ungestörten Raum handeln: Kollegen, die „nur mal kurz“ einen Rat einholen, oder eintreffende E-Mails auf dem Laptop unterbrechen kreative Prozesse.
  2. Stehen ist besser als sitzen: Wir beobachten in unseren Workshops immer wieder, dass Teams, die im Stehen arbeiten, kreativer sind als solche, die sich hinsetzen. Im Stehen bleiben wir in Bewegung, der Körper „denkt mit“.
  3. Visualisierung hilft: Ob es Papier auf dem Tisch ist, Post-its an der Wand oder das klassische Whiteboard. Sobald wir neben der Sprache auch das Auge aktivieren, nutzen wir die Kapazitäten unseres Gehirns besser aus.
  4. „Heimspiele“ sind zu vermeiden: Es sollte sich um einen für alle Teilnehmer neutralen Raum handeln, um einen gleichberechtigten Austausch der unterschiedlichen Perspektiven zu ermöglichen.
  5. Eine inspirierende Umgebung wirkt stimulierend: Wir haben in unseren Workshops beispielsweise immer Neon-Klebeband dabei, damit lässt sich selbst der langweiligste Tagungsraum so verändern, dass die Leute ein „Wow-Gefühl“ haben, wenn sie den Raum betreten. Und wenn es etwas Besonderes sein soll, dann kann es auch ein Pop-up Innovationsraum aus Pappe sein, der jedes Büro in eine Kreativ-Oase verwandelt.
Foto: Asja Caspari

Was sind hierbei No-Gos? Unter welchen Umständen funktionieren die genannten Ansätze nicht?

Ich sehe leider immer wieder Kreativräume, die bereits nach kurzer Zeit nicht mehr genutzt werden. Es klingt platt, aber an erster Stelle steht für mich die Anforderung, dass die Räume „fool proof“ sind und ohne ständige Pflege auskommen. Ein simples Beispiel: Stellen Sie sicher, dass die schicke Wand mit Whiteboardfarbe tatsächlich nur mit entsprechenden Stiften beschrieben wird. Permanent-Marker haben in diesen Räumen nichts verloren.

Johanna Rosenbusch ist Co-Gründerin der Innovationsunternehmung INNOVATION RADICALS. Sie begleiten Unternehmen wie z. B. Bayer, Procter & Gamble, Provinzial Versicherungen, in „Corporate-kompatiblen“ Formaten beim Schritt aus ihrer Komfortzone, um Evolution und Innovation möglich zu machen.

Foto: Simon Hecht